Bevor ich Vater wurde, war mein Leben durchgetaktet. Arbeit, Sport, Haushalt, Freunde, Hobbys – alles hatte seinen Platz. Und wenn mal Leerlauf war, meldete sich sofort dieses nagende Gefühl: „Du solltest doch jetzt was Sinnvolles tun.“ Heute, Jahre später, weiß ich: genau diese Leerlauf-Momente sind Gold wert. Und ich hab endlich aufgehört, mich dafür schlecht zu fühlen.
Es war ein langer Weg. Denn auch als ich längst Vater war, hatte ich noch diesen inneren Antreiber, der mir zuflüsterte: „Wenn du jetzt auf der Couch sitzt, verlierst du Zeit.“ Dabei ist es gerade diese Zeit, die mir später hilft, nicht durchzudrehen. Ich hab gelernt, dass Pausen keine verschwendete Zeit sind – sie sind meine persönliche Investition in Gelassenheit.
Das schlechte Gewissen ist laut – vor allem im Papa-Kopf
Kennst du das? Du sitzt fünf Minuten auf der Couch und willst eigentlich nur mal kurz durchatmen. Aber innerlich schreit’s: „Spiel mit den Kindern! Mach die Wäsche! Beantworte die Mails!“ Willkommen im Vaterkopf, wo To-dos lauter sind als der Tatort am Sonntagabend.
Ich hab mich früher oft selbst sabotiert. Wenn ich mal nichts gemacht habe, hab ich mich dafür fast entschuldigt. Vor meiner Partnerin, vor mir selbst. Ich hatte ständig das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen. Bis ich irgendwann gemerkt hab: Niemand erwartet von mir, dass ich rund um die Uhr funktioniere – außer ich selbst.
Es ist dieses ständige Gefühl von „Ich sollte…“. Ich sollte mich mehr kümmern. Ich sollte aktiver sein. Ich sollte produktiver sein. Aber ganz ehrlich: dieses „Ich sollte“ macht müde. Und es führt dazu, dass man sich selbst nie erlaubt, einfach mal durchzuatmen.
Nichts tun ist nicht nichts
Der größte Aha-Moment für mich kam, als ich gemerkt habe: Auch wenn ich da sitze und scheinbar „nichts“ tue, passiert verdammt viel. Ich atme durch. Ich komme runter. Mein Kopf sortiert sich. Mein Puls senkt sich. Mein Nervensystem jubelt leise.
Und das wirkt sich auf alles aus. Wenn ich mir diese Pausen gönne, bin ich danach präsenter. Geduldiger. Mehr bei mir. Mehr bei meinen Kindern. Mehr im Leben. Das ist keine Schwäche – das ist Selbstfürsorge.
Und es ist ein Statement. Zu sagen: „Ich darf jetzt mal nichts tun“ – das braucht Mut. Denn es bedeutet auch, dass man sich von dem ständigen Druck befreit, immer verfügbar und einsatzbereit zu sein. Ich habe gelernt, mir diese Zeit bewusst zu nehmen. Nicht als Flucht, sondern als Tankstelle.
Gesellschaft vs. Realität: Der Druck, ständig „was zu leisten“
Wir leben in einer Welt, in der Leistung alles ist. Produktivität wird gefeiert, Pausen dagegen fast schon schräg beäugt. Wer „nichts tut“, wirkt schnell faul oder unambitioniert. Besonders als Vater, der ja heute bitteschön alles unter einen Hut kriegen soll: liebevoll, engagiert, beruflich erfolgreich, körperlich fit und sozial aktiv. Und natürlich mit gepflegtem Rasen.
Aber weißt du was? Dieser Druck macht krank. Er sorgt dafür, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse ständig hinten anstellen. Dass wir uns selbst nur noch als funktionierende Zahnräder im Familiengetriebe sehen. Dabei ist genau das Gegenteil wichtig: Wenn du als Papa mal innehältst, schützt du dich – und letztlich auch deine Familie – vor Überforderung.
Ich hab oft mit anderen Vätern gesprochen. Viele kennen das. Der Wunsch, sich einfach mal hinzusetzen – ohne Plan, ohne Auftrag. Aber gleichzeitig auch dieses schlechte Gewissen, wenn man es tatsächlich tut. Dabei brauchen gerade wir Papas mehr Raum für genau diese Phasen. Denn sie sind es, die uns wieder bei uns selbst ankommen lassen.
Die Magie des Müßiggangs
Ich liebe dieses Wort: Müßiggang. Es klingt schon so schön langsam. Und ja, ich übe ihn. Ich lasse Momente zu, in denen ich absichtlich nichts mache. Kein Handy, kein Scrollen, kein Ablenken. Nur sitzen, gucken, sein. Vielleicht mit einem Kaffee. Vielleicht mit einem Gedanken. Vielleicht mit einem Vogel auf dem Balkon, den ich sonst nie bemerkt hätte.
Diese kleinen Lücken im Alltag sind wie Atempausen in einem Song. Ohne sie wird’s einfach nur Lärm. Aber mit ihnen entsteht Rhythmus. Und das ist genau das, was ich brauche: Einen Alltag mit Pausen. Mit Raum. Mit mir.
Manchmal sitze ich zehn Minuten auf der Terrasse und beobachte einfach die Bäume. Ich schaue, wie die Blätter sich im Wind bewegen. Klingt unspektakulär – ist es vielleicht auch. Aber es ist genau das, was mein Kopf manchmal braucht. Keine Reize. Keine Aufgaben. Nur sein.
Und das Schönste: Ich merke, dass meine Kinder das wahrnehmen. Sie fragen manchmal: „Papa, warum sitzt du da so?“ Und ich sage dann: „Weil ich kurz nur für mich da bin.“ Und ich wünsche mir, dass sie das mitnehmen: Dass es okay ist, nichts zu tun. Dass wir uns Pausen nehmen dürfen – ohne Reue.
Fazit: Erlaub dir den Leerlauf – du brauchst ihn
Ich hab gelernt, mein schlechtes Gewissen leiser zu drehen. Es hat keine Bühne mehr verdient. Stattdessen bekommt mein Bedürfnis nach Pause jetzt den Applaus. Denn ich weiß: Wenn ich mir Zeit nehme, einfach mal nichts zu machen, dann mache ich genau das Richtige.
Also: Setz dich hin. Tu nichts. Guck aus dem Fenster. Atme. Du musst dich dafür nicht rechtfertigen. Du darfst das. Mehr noch: Du brauchst das.
Und wenn du das nächste Mal diesen Impuls spürst, „schnell noch was zu erledigen“, frag dich: Muss ich das wirklich jetzt machen? Oder darf ich mir gerade etwas Ruhe gönnen? Die Antwort darf auch mal „Ja, ich darf.“ sein. Ganz bewusst. Ganz ohne schlechtes Gewissen.