Es gibt diese Abende, da ist einfach die Luft raus. Der Tag war lang, die Kinder laut, der Haushalt ein endloser Kreislauf aus „aufräumen – wieder verwüstet – aufräumen“. Und irgendwo zwischen Brotdose ausspülen und Legosteine vom Teppich kratzen kommt dieser Moment, in dem ich merke: Ich muss raus. Aber nicht im Sinne von „Ich flieh vor der Verantwortung“, sondern eher: Ich brauch einen Raum, der nur mir gehört. Auch wenn’s nur für 25 Minuten ist. Und dann passiert’s: Ich dreh das Wasser auf. Warm. Ruhig. Und weiß: Heute geh ich baden – freiwillig.
Wieso das Bad meine kleine Festung ist
Ich weiß nicht, wie’s dir geht – aber bei uns zu Hause gibt es eigentlich keinen Raum, der nicht permanent belagert wird. Wohnzimmer? Spielplatz. Küche? Kommandozentrale. Schlafzimmer? Höhlenlager. Das Bad? Tja… theoretisch auch ständig in Benutzung – aber irgendwie hat es sich etabliert: Wenn Papa badet, dann ist kurz Ruhe.
Vielleicht, weil das Wasser an sich schon so ein Symbol für Abstand ist. Vielleicht, weil niemand Bock hat, sich mit mir eine Badewanne zu teilen. Vielleicht, weil ich einfach ein Türschild mit „Papa tankt auf – bitte nicht stören“ gebastelt habe (funktioniert übrigens erstaunlich gut).
Vom Gummienten-Drama zum Schaumbad-Moment
Früher war Baden bei uns gleichbedeutend mit Gekreisch. Nicht vor Freude – sondern weil das Shampoo gebrannt hat, das Wasser zu heiß oder die Ente verschwunden war. Ich war also eher der Bademeister als der Genießer. Aber irgendwann, als ich mal krank war und meine Frau meinte: „Leg dich doch einfach mal in die Wanne“, hab ich es getan. Und siehe da: Ich bin nicht sofort wieder rausgesprungen, sondern geblieben. Und geblieben. Und irgendwann hab ich gemerkt – wow, das ist ja wie Mini-Urlaub mit warmem Wasser.
Seitdem hab ich’s mir zurückerobert. Nicht jedes Mal mit Kerzen und Musik (obwohl… manchmal schon). Aber immer mit dem klaren Ziel: Ich bin jetzt mal raus aus allem. Und das ist völlig okay.
Was in der Wanne wirklich passiert (nein, nichts Unanständiges)
Die Wanne ist mein Rückzugsort. Klar, manchmal hab ich ein Buch dabei. Manchmal einfach nur meine Gedanken. Und ja, es gab auch schon Abende, da hab ich Podcasts über Dinos gehört – aber freiwillig! Weil es einfach schön war, nicht angesprochen zu werden. Kein „Papa, wo ist mein…?“, kein „Kannst du mal schnell…?“, kein „Was gibt’s zu essen?“. Nur das Plätschern, das warme Wasser – und ich.
Es ist nicht die große Selbstfindung. Kein spirituelles Reinigungsritual. Sondern ein Ort, an dem ich durchatme. Loslasse. Einmal keine Listen abarbeite. Keine Antworten parat haben muss. Sondern einfach: bin.
Die Badewanne als Therapieersatz? Ganz ehrlich: Manchmal ja!
Es gibt Tage, da schlepp ich so viel mit mir rum. Jobstress, Gedankenkarussell, Papa-Zweifel deluxe. Und dann lieg ich da im Wasser, der Schaum knistert, und ich lass alles sinken. Im wahrsten Sinne. Gedanken kommen hoch, dürfen da sein, dürfen auch wieder gehen. Und ich komm raus – nicht als neuer Mensch, aber als ruhigere Version von mir.
Das Wasser nimmt nicht alles weg. Aber es macht es leichter, zu tragen. Und das allein reicht schon, um am nächsten Tag wieder mit mehr Geduld den Frühstückskakao umzurühren.
Tipps für die perfekte Papa-Auszeit in der Wanne
Hier mal meine (nicht ganz so geheimen) Tipps, wie du das Beste aus deinem Bade-Moment rausholst:
1. Uhrzeit klug wählen: Spätabends, wenn alle schlafen oder sich bettfertig machen, ist ideal. Früh morgens ist auch okay – aber nur, wenn du keinen Wasserplanschangriff riskierst.
2. Tür zu, Schild dran: Ein einfaches „Bitte nicht stören“ wirkt Wunder. Noch besser: „Papa regeneriert – wie ein Handy am Ladegerät.“
3. Playlist vorbereiten: Ob entspannte LoFi-Beats, Naturgeräusche oder einfach nur Stille – Hauptsache, es bringt dich runter.
4. Zubehör nicht vergessen: Lieblingsgetränk (ja, auch Tee zählt), Buch oder Zeitschrift, und wenn du mutig bist: Badezusatz mit Lavendel oder Eukalyptus.
5. Handy weg! Es sei denn, du hörst damit Musik. Aber bitte: keine Mails checken, keine News lesen. Du bist jetzt nicht erreichbar. Punkt.
Was meine Familie davon hat – und warum ich’s regelmäßig mache
Klingt egoistisch? Mag sein. Aber weißt du was? Ich bin ein besserer Vater, wenn ich auftanken darf. Wenn ich auch mal Raum für mich habe. Und das bedeutet nicht, dass ich meine Familie weniger liebe – im Gegenteil. Ich nehme mir diese Zeit, damit ich mit mehr Liebe, Ruhe und Geduld wieder da sein kann.
Meine Kinder merken das. Wenn ich baden war, bin ich ausgeglichener. Weniger schnell genervt. Ich lache schneller, höre besser zu. Und ja – manchmal frag ich dann sogar freiwillig, ob jemand Lust hat, mit mir die nächste Runde Gummienten-Schlacht zu machen.
Was mir das Baden über mich selbst beigebracht hat
Ich hab gelernt: Ich darf Pausen machen. Ich muss nicht immer „on“ sein. Ich muss nicht ständig verfügbar, stark, lösungsorientiert sein. Manchmal reicht es, einfach nur zu existieren. Zu spüren. Und das ist etwas, das in unserem Papa-Alltag oft untergeht.
In der Wanne lern ich, loszulassen. Mich zu entspannen, ohne etwas leisten zu müssen. Mich selbst wieder zu spüren – jenseits aller Rollen und Aufgaben.
Die kleinen Rituale machen den Unterschied
Mittlerweile hab ich so meine festen Rituale. Lieblingsbadezusatz. Lieblingsbecher (ja, ich trink manchmal Kakao in der Wanne – don’t judge!). Und meine Frau weiß: Wenn ich sage „Ich geh baden“, heißt das nicht „Ich will fliehen“, sondern eher: „Ich muss kurz auftanken.“
Sie respektiert das. Und ich respektiere, wenn sie das Gleiche braucht. Denn Elternsein ist Teamarbeit – aber nur, wenn beide auch mal durchatmen dürfen.
Ein Appell an alle Papas: Holt euch eure Wanne zurück!
Vielleicht hast du jetzt Lust bekommen, es selbst mal zu probieren. Vielleicht denkst du: „Pff, das ist doch nix für mich.“ Aber ich sag dir: Probier’s aus. Leg dich rein. Mach die Augen zu. Und dann spür einfach, wie der Druck von dir abfällt.
Es geht nicht ums perfekte Setting. Es geht darum, dir selbst zu zeigen: Ich bin es mir wert. Ich darf mir das nehmen. Nicht als Flucht – sondern als Form der Fürsorge. Für dich. Und am Ende auch für die, die dich brauchen.
Und wenn’s mal nicht klappt?
Klar, es gibt Abende, da lieg ich in der Wanne und höre trotzdem durch die Tür: Streit, Chaos, Leben. Dann ist es halt keine Traum-Auszeit – aber immerhin ein Moment, in dem ich mich bewusst entschieden hab: Ich kümmere mich auch um mich.
Und genau das zählt. Nicht die Dauer. Nicht die Stille. Sondern die Geste. Zu mir selbst. Zu sagen: Ich bin Papa – aber ich bin auch Mensch.