Manche Papas machen Yoga. Andere gehen laufen. Und ich? Ich verschwinde in meine Werkstatt. Klingt nach Flucht? Ist es auch – eine ziemlich entspannte noch dazu. Denn zwischen Schraubzwingen, Sägespänen und Werkzeugchaos finde ich etwas, das mir im Alltag oft verloren geht: Ruhe im Kopf. Und mehr noch: ein Stück von mir selbst. In einer Welt, in der sich alles ständig verändert, ist die Werkstatt mein Anker. Mein kleines Königreich aus Holz und Metall.
Der ganz normale Wahnsinn braucht ein Ventil
Zwei Kinder, Job, Familienorga, Hausaufgabenstress und der ewige Kampf gegen Wäscheberge – der Alltag ist voll. Und laut. So sehr ich meine Familie liebe (und das tue ich wirklich), so sehr brauche ich manchmal auch einfach nur: meine Ruhe. Kein „Papa, wo ist…?“, kein „Kannst du mal…?“ und auch kein „Was gibt’s zu essen?“ – nur das surrende Geräusch meines Akkuschraubers und der Duft von frisch gesägtem Holz.
Selbst kleine Geräusche – das Klicken beim Einrasten einer Schraube, das Kratzen des Schleifpapiers auf der Kante – wirken auf mich wie Musik. Es ist, als würde mein Gehirn endlich mal einen klaren Rhythmus finden inmitten des ständigen Familien-Drumherums.
Mein Zufluchtsort mit Werkzeugwand
Unsere Garage war früher genau das: eine Garage. Jetzt ist sie meine Werkstatt – mein Papa-Schutzraum. Zwischen Holzresten, Schraubensortimenten und einer Bluetooth-Box, die leise Classic Rock spielt, kann ich atmen. Ich bastel da keine Designerstücke oder teure Möbel. Ich baue einfache Regale, repariere kaputtes Spielzeug oder experimentiere mit Ideen, die meist mehr Herz als Sinn machen.
Ein altes Skateboard wurde neulich zum Bücherregal, und aus einer ausrangierten Schublade wurde ein Vogelhaus. Alles nicht perfekt, aber irgendwie genau richtig. Weil es von mir kommt. Und weil es keiner bewerten muss – außer vielleicht meine Tochter, die mit großen Augen sagt: „Papa, das ist ja voll cool!“ (Mission erfüllt.)
Ich habe mir nach und nach alles aufgebaut. Eine alte Küchenarbeitsplatte dient als Werkbank. Meine Werkzeuge hängen an einer selbstgebauten Wandhalterung, die so chaotisch ist, dass ich mich trotzdem perfekt zurechtfinde. Jede Schraube, jede Mutter hat ihren eigenen Platz – auch wenn nur ich den kenne.
Schrauben statt schreien
Wenn’s im Alltag brennt – und seien wir ehrlich, das tut es öfter mal – dann zieht es mich abends manchmal einfach raus in die Werkstatt. Kein großes Projekt, kein Plan. Nur ein Stück Holz, ein bisschen Werkzeug und das Gefühl, etwas Eigenes in der Hand zu haben. Ich glaube, das ist es, was mich so beruhigt: Hier kann ich Dinge kontrollieren. Während im Familienleben alles gleichzeitig passiert, läuft in der Werkstatt alles in meinem Tempo.
Da draußen toben Emotionen, Termine, Verantwortlichkeiten. Hier drinnen gibt’s nur klare Abläufe: bohren, schrauben, schleifen. Und das Beste: Ich kann Fehler machen, ohne dass jemand heult, schreit oder beleidigt ist. Ich schleife sie einfach weg. Und das hat was ungemein Befreiendes.
Ich hab da auch keine Erwartungshaltung. Wenn was gelingt: super. Wenn nicht: auch okay. Dann eben abschleifen und nochmal von vorn. Diese Gelassenheit nehme ich manchmal sogar mit zurück in die Wohnung – zumindest bis zum nächsten Streit um die letzte Apfelschnitze.
Kinder in der Werkstatt? Klar, aber nicht immer
Manchmal kommt mein Sohn mit in die Werkstatt. Dann bauen wir zusammen irgendwas – meist völlig Sinnfreies, aber mit ganz viel Spaß. Letztens haben wir ein Auto aus Sperrholz gebaut, das nach zwei Metern auseinanderfiel. Aber hey, wir hatten drei Stunden gemeinsam gewerkelt, gelacht und (fast) nicht gestritten.
Meine Tochter mag lieber malen, aber wenn sie Lust hat, darf sie auch mal mit dem kleinen Hammer Nägel in ein Holzbrett klopfen. Dabei entstehen dann abstrakte Kunstwerke – und wunderschöne Papa-Kind-Momente.
Und dann gibt’s Abende, da ist die Werkstatt wirklich nur mein Rückzugsort. Da muss ich nicht erklären, helfen oder pädagogisch wertvoll sein. Da darf ich einfach nur Papa sein – ganz für mich. Und das ist völlig okay. Ich bin überzeugt: Kinder brauchen glückliche Eltern, keine perfekten. Und manchmal bedeutet Glück eben auch, für eine Stunde einfach zu schrauben statt zu schimpfen.
Warum jede Schraube ein bisschen Therapie ist
Ich bin kein Handwerker. Ich hab mir alles selbst beigebracht – mit YouTube, Ausprobieren und viel Geduld. Aber genau das macht’s so besonders. Die Werkstatt ist mein Raum, in dem ich wachse, scheitere, lerne. Und abschalten kann. Während andere meditieren oder in der Badewanne lesen, halte ich ein Stück Holz fest und frage mich: „Welche Schraube hält das wohl am besten?“
Ich glaube, es ist diese Kombination aus körperlicher Aktivität und kreativer Freiheit, die mich so tief durchatmen lässt. Ich kann wüten, während ich Holz säge. Ich kann nachdenken, während ich schleife. Und manchmal, wenn ich einfach nur dasitzen und den Geruch von Öl und Holz einatme, merke ich: Alles ist gar nicht so schlimm.
Dieser Fokus, dieses körperliche Tun – das ist für mich wie ein Reset-Knopf. Danach bin ich oft wieder klarer im Kopf, weniger reizbar, einfach ausgeglichener. Und manchmal – ganz selten – entsteht dabei sogar etwas Nützliches. Oder zumindest etwas, das nicht direkt auseinanderfällt.
Und wenn ich es dann stolz ins Wohnzimmer trage und meine Frau sagt: „Wow, das sieht ja richtig gut aus!“, dann bin ich für einen Moment der König der Welt. Oder zumindest der König der Werkstatt.
Fazit: Mein Schraubenschlüssel gegen den Alltagsknoten
Papa-Sein ist laut, bunt, chaotisch – und wunderschön. Aber es braucht Auszeiten. Für mich ist die Werkstatt der Ort, an dem ich wieder bei mir ankomme. Kein Perfektionismus, kein Druck. Nur ich, mein Werkzeug und das Gefühl, wieder etwas gebaut zu haben – im besten Fall ein Regal, im Notfall einfach nur Ruhe.
Und vielleicht, ganz vielleicht, baue ich mir dort nicht nur Regale, sondern auch Stück für Stück meine innere Balance wieder zusammen. Mit jeder Schraube ein bisschen mehr Gelassenheit. Mit jedem Brett ein bisschen mehr Papa-Sein, das sich gut anfühlt.