Wenn bei uns zu Hause jemand fragt: „Wo ist Papa?“, ist die Antwort meistens: „Im Keller.“ Und das ist kein Zufall. Denn dort unten, wo es nach Werkzeug, altem Holz und ein bisschen Freiheit riecht, liegt mein persönliches Universum. Mein Rückzugsort. Mein Raum, in dem ich nicht erklären muss, warum ich lieber an einer Modelleisenbahn bastle als den Wäscheständer zusammenzuklappen. Mein Hobby-Keller. Oder wie ich ihn nenne: das kleine Stück Ich im Familienchaos.
Der Keller als Gegenwelt zum Familienlärm
Oben ist Action. Ständig. Es wird gerannt, geredet, gestritten, gelacht. Da fallen Brotdosen, da piept der Ofen, da läuft das Tablet, da tropft der Wasserhahn. Und mittendrin ich – der Papa. Derjenige, der organisiert, repariert, mitdenkt, ansagt und manchmal einfach nur durchatmet, weil die nächste Eskalation schon am Horizont steht.
Unten, im Keller, ist es anders. Da ist es still. Da muss ich nichts. Kein „Papa, kannst du mal?“, kein „Wir haben kein Klopapier mehr!“ – nur ich, meine Sachen und Zeit, die nicht wegtickt wie ein Countdown zum nächsten Zubettgeh-Drama.
Ich habe mir diesen Ort nicht in einem Wochenende erschaffen. Das war ein Prozess. Ein Regal hier, eine Werkbank dort, eine alte Kommode umfunktioniert zur Werkzeugstation. Es ist nicht schön. Es ist nicht ordentlich. Aber es ist mein Platz.
Warum es nicht um Flucht geht, sondern um Ankommen
Manche denken: Der verzieht sich einfach, wenn’s anstrengend wird. Aber genau darum geht es nicht. Ich hau nicht ab – ich tauche ein. In etwas, das mich runterbringt. Das mir zeigt, dass ich mehr bin als der, der die Brotdosen morgens füllt. Mehr als der, der das Kinderzimmer saugt und abends auf dem Sofa einschläft, bevor die erste Serienfolge zu Ende ist.
Ich gehe in den Keller, weil ich dort sein darf. Nicht funktionieren. Nicht reagieren. Nicht lösen. Sondern einfach basteln, tüfteln, bauen, sortieren, hören, fühlen, werkeln. Ob es am Ende ein fertiges Projekt gibt, ist Nebensache. Das Tun selbst ist der Schatz.
Mein Hobby? Alles, was Hände und Herz braucht
Ich hab kein „einziges“ Hobby da unten. Manchmal säge ich Holz zurecht, um ein neues Regal fürs Kinderzimmer zu bauen (Spoiler: Wird selten fertig). Manchmal bastle ich an alten Lautsprechern rum, weil ich denke, dass ich aus ihnen noch was rausholen kann. Und manchmal sitze ich einfach nur auf meinem Hocker, mit einem kalten Getränk in der Hand, höre Musik und schau meine Sammlung an – Schrauben, alte Kameras, Modellautos, was auch immer gerade eine Phase ist.
Es geht nicht um Perfektion. Es geht um das Gefühl, etwas in der Hand zu haben, das nicht schreit, nicht blinkt, nicht ständig etwas will. Etwas, das sich formen lässt. Wo ich am Ende sagen kann: „Das hab ich gemacht.“
Der Keller als Ort der kleinen Siege
Im Familienalltag geht so vieles unter. Manchmal kochst du ein Essen, das keiner mag. Du räumst auf, und zwei Minuten später ist wieder Chaos. Du gibst alles – und wirst trotzdem angeschnautzt, weil der falsche Schlafanzug im Schrank liegt.
Im Keller ist das anders. Da gibt es Ergebnisse. Fertige Projekte. Funktionierende Ideen. Da funktioniert das Werkzeug, wenn ich es anschalte. Und wenn nicht, dann liegt es wenigstens an mir – und nicht an der Laune eines Vierjährigen. Es sind diese kleinen Siege, die mich stärken. Die mich daran erinnern, dass ich Dinge schaffen kann, dass ich mehr bin als ein wandelndes Orga-Tool.
Der stille Luxus, ungestört zu sein
Ich weiß, es ist ein Privileg, so einen Raum zu haben. Nicht jeder hat die Möglichkeit. Aber es geht nicht um Quadratmeter. Es geht um Raum im Kopf. Raum, in dem du nicht dauernd gebraucht wirst. Raum, in dem du einfach mal wieder du selbst sein kannst – nicht „Papa von“, nicht „Schatz, kannst du mal“, sondern du.
Und dieser Raum, so unspektakulär er sein mag, ist Gold wert. Er ist mein Kraftort. Mein Akku. Mein Ort, an dem ich nicht erkläre, sondern einfach mache. An dem ich mal wieder hören kann, was ich eigentlich denke.
Wenn die Familie fragt: Was machst du da unten eigentlich?
Am Anfang war da oft Unverständnis. „Warum sitzt du so lange im Keller?“ Oder: „Hast du da ein geheimes Männerding am Laufen?“ (Spoiler: Ja. Es heißt Ruhe.)
Aber mit der Zeit hat meine Familie verstanden: Das ist wichtig für mich. Und damit auch für sie. Denn wenn ich mir diese Zeit nehme, komme ich anders wieder rauf. Freundlicher. Belastbarer. Mehr ich. Und ja – auch wieder mehr Papa.
Manchmal kommt mein Sohn mit runter. Dann zeigen wir ihm, wie man mit dem Schraubendreher umgeht, oder wir bauen zusammen irgendwas völlig Unsinniges, das nach fünf Minuten auseinanderfällt. Und trotzdem ist es perfekt. Weil es unser Moment ist. Ohne Screens. Ohne Termine. Nur wir und ein paar alte Nägel.
Was ich dabei über mich selbst gelernt habe
Ich habe im Keller mehr über mich gelernt als in so manchem Selbsthilfebuch. Ich habe gelernt, dass ich Zeit für mich brauche – nicht, um mich von der Familie zu entfernen, sondern um bei ihr bleiben zu können. Ich habe gelernt, dass ich besser funktioniere, wenn ich zwischendurch eben nicht funktioniere. Wenn ich einfach mal still bin, konzentriert, bei der Sache.
Ich habe gelernt, dass ich Dinge beenden kann – auch wenn ich 20 andere liegen lasse. Dass ein Tag, an dem ich eine Schraubenkiste sortiere, kein verlorener Tag ist. Sondern einer, der mir Struktur gibt, innen wie außen.
Und ich habe gelernt, dass man auch als Vater das Recht hat, eigene Interessen zu haben. Dass Selbstfürsorge kein Egoismus ist, sondern Verantwortung – für sich selbst und die, die man liebt.
Es geht nicht ums Fertigwerden – es geht ums Dranbleiben
Ich habe Projekte im Keller, die liegen seit Jahren. Ein halbfertiger Verstärker. Ein Regal, das nie montiert wurde. Eine Holzkiste, bei der ich die Maße irgendwann verloren habe. Und weißt du was? Das ist okay.
Denn es geht nicht darum, alles fertig zu bekommen. Es geht darum, dranzubleiben. Immer wieder hinzugehen, weiterzumachen, nachzudenken, umzudenken. Das ist Leben. Das ist auch Papasein. Und genau deswegen passt mein Keller perfekt dazu.
Ich darf dort Dinge in meinem Tempo machen. Und das ist in einem Alltag, der oft im Takt fremder Zeitpläne schlägt, ein unglaublicher Wert.
Fazit: Mein Keller ist mein kleiner Anker
Mein Hobbykeller ist kein Ort der Flucht. Er ist ein Ort der Erinnerung – an mich selbst. An das, was mir Freude macht, was mich beruhigt, was mich wieder auflädt.
Ich glaube, jeder Papa braucht so einen Ort. Egal ob er im Keller, auf dem Balkon oder im Kopf existiert. Einen Platz, an dem man kurz loslassen kann, um danach wieder besser zu halten. An dem man einfach mal Papa sein kann – ganz für sich.
Und wenn mich heute jemand fragt: „Was machst du eigentlich da unten?“, dann sag ich: „Ich kümmere mich um mich. Damit ich mich besser um euch kümmern kann.“