Es ist Samstagvormittag. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern – und ich habe zugesagt, „mal eben“ den Wocheneinkauf zu erledigen. Mit Kind. Ohne Liste. Ohne Ahnung. Nur mit dem festen Glauben: Wie schwer kann das schon sein?
Die Antwort kommt schneller, als ich „Pfandbon“ sagen kann.
Der Anfang vom Ende: Schon im Auto fängt’s an
„Papa, darf ich den Einkaufswagen fahren?“ Natürlich, mein Schatz. Ich bin guter Dinge. Mein Sohn sitzt hinten im Kindersitz, wir singen irgendwas von Tieren, die hupen, und ich denke: Läuft bei uns. Was ich nicht weiß: Mein Plan wird gleich an einer banalen Realität zerschellen – dem Eingang eines vollgepackten Supermarkts am Samstagmittag.
Schon beim Reinrollen merke ich: Einkaufswagenfahren ist für ein Kind ein Extremsport. Er kracht gegen Regale, Menschen und fast gegen eine Oma. Ich schwitze. Und wir sind noch nicht mal bei der Obstabteilung angekommen. Mein Puls steigt. Mein Kind lacht. Und ich bereue alles.
Orientierungslos durch die Gänge
Ich irre durch die Gänge wie ein Tourist ohne Stadtplan. Mein Sohn ruft: „Papa, die hatten doch gesagt, wir brauchen Tomaten!“ Hatten sie das? Ich greife zu allem, was rot ist. Am Ende habe ich Paprika, eine Dose Kidneybohnen und drei Äpfel im Wagen. Zwischen uns fährt ein älteres Ehepaar mit einem Blick, als wären sie gerade aus einer Kochshow gestiegen – mit minutiösem Plan und vermutlich farblich codierter Liste.
Ich dagegen? Ich kämpfe mit einem Einkaufswagen, der ständig nach links zieht, während mein Sohn laut singend Gummibärchen zählt, die er in verschiedenen Regalen entdeckt. Und ich frage mich, ob ich jemals wieder nur Milch holen kann, ohne dass es wie ein Marathon mit Zwischenetappen wirkt.
Dann der Klassiker: „Was wollten wir noch mal fürs Abendessen?“ Ich versuche, mich zu erinnern. Da war doch was mit Lasagne. Oder Auflauf. Irgendwas mit „… du musst nur noch Hackfleisch holen“. Also lande ich beim Fleisch – dort, wo sich fünf andere Väter gerade dieselbe Frage stellen. Es ist ein inoffizieller Papa-Club. Blickkontakt. Verständnis. Und keiner traut sich zu fragen, was Tatar ist.
Die erste Krise: die Snackabteilung
Kaum biege ich in den Süßigkeitenbereich ab, ist mein Sohn nicht mehr zu halten. Er rennt los wie auf Schienen. Chips! Gummibärchen! Quetschies! Irgendwo ruft eine Stimme: „Papa, darf ich das haben?“ Und dann sehe ich ihn – mit einer Tüte Chips in der einen und einer Packung Kinderschokolade in der anderen Hand. Seine Augen leuchten.
Ich atme tief durch. Wir verhandeln. Ich versuche pädagogisch wertvoll zu argumentieren: „Wenn du nur eine Sache nimmst, darfst du sie aussuchen.“ Er entscheidet sich. Für beide. Und weint, weil er „nur eine“ darf. Ich lenke ab – mit einer Dose Mais. Kein Scherz. Es funktioniert. Kurz.
Dann kommt der Trick: Ich lasse ihn die Chipstüte selbst in den Wagen legen. Das gibt ihm das Gefühl von Kontrolle. Und mir die Illusion von Pädagogik. Für etwa zweieinhalb Minuten. Dann entdeckt er Brause-Ufos.
Windelalarm zwischen Tiefkühlpizza und TK-Erbsen
Wir sind bei den Tiefkühlprodukten. Ich schwitze schon wieder. Mein Sohn guckt mich an. „Papa, ich glaube, ich muss mal.“ Ich sehe mich um. Kein WC in Sicht. Natürlich nicht. Ich fluche leise in mich hinein, schnappe ihn und renne durch den Laden. Tiefkühlware bleibt zurück, mein Puls schießt hoch.
Nach einem Sprint zum Kunden-WC – mit voller Einkaufskarre, die ich draußen parken muss – betreten wir das vielleicht kleinste Klo der Welt. Mein Sohn will nicht aufs fremde Klo. „Das ist nicht unser Zuhause!“ Er hat recht. Es riecht auch nicht wie Zuhause. Ich packe die Ersatzwindel aus (zum Glück dabei!), wir kämpfen uns durch. Nebenan fragt ein anderer Vater seinen Sohn, ob „es denn jetzt endlich kommt“ – und ich nicke mitfühlend. Bruder im Geiste.
Zurück in den Wahnsinn
Wieder im Laden, ist alles verrutscht. Der Einkaufswagen ist inzwischen zur Mini-Rumpelkammer geworden. Eine Packung Eier ist auf mysteriöse Weise aufgebrochen. Ein Joghurtdeckel hängt an meinem Ärmel. Und mein Kind will „endlich nach Hause“.
Ich rufe meine Frau an. Flüsternd. „Was brauchen wir noch mal alles?“ Ihre Antwort kommt schnell, aber als sie „Spülmittel, Backpapier und diese eine Sorte Haferdrink“ sagt, ist mein Akku leer. Kein Witz. Telefon tot. Ich improvisiere. Kaufe drei verschiedene Haferdrinks. Sicher ist sicher.
Dann irre ich durch den Non-Food-Bereich auf der Suche nach Backpapier und frage einen Mitarbeiter, der mich ansieht, als hätte ich gefragt, ob sie auch Lamas führen. Ich finde es dann doch – zwischen Alufolie und Grillanzündern. Logisch.
An der Kasse – der Showdown
Wir stehen an der Kasse. Vor uns: ein Mann mit 74 Artikeln und ohne Eile. Hinter uns: eine Frau mit Blicken, die töten könnten. Mein Kind legt schon mal alles aufs Band. Und noch was. Und noch was. Ich merke zu spät, dass da auch Sachen dabei sind, die ich nicht in den Wagen gelegt habe: Ein quietschender Dinosaurier, ein Spiderman-Journal und eine Flasche Shampoo mit Erdbeerduft.
Ich versuche zu retten, was zu retten ist. Der Kassierer guckt freundlich. Ich zahle. Mit Schweißperlen auf der Stirn. Und einem letzten Funken Hoffnung, dass wenigstens das Auto noch da ist.
„Papa, ich will die Quetschies jetzt essen.“ Natürlich. Klar. Und während ich versuche, eine geöffnete Quetschpackung zu koordinieren, balanciere ich den Kassenzettel, das Wechselgeld und einen entgleisten Einkaufswagen, der Richtung Parkplatz rollt.
Draußen. Endlich.
Wir schaffen es bis zum Auto. Ich lasse meinen Sohn aufschnaufen. Ich selbst atme durch, als hätte ich einen Marathon hinter mir. Und dann sagt mein Sohn, mit einem Lächeln im Gesicht: „Papa, das war voll cool.“
Ich lache. Ehrlich. Und denke: Vielleicht war’s das auch. Chaotisch, ja. Ungeplant, definitiv. Aber irgendwie auch: echt. Und vielleicht das schönste Kompliment des Tages.
Die Nachwirkungen zu Hause
Zuhause angekommen folgt das große Ausladen. Die Tüte mit den Eiern – kaputt. Die Gurke ist zerdrückt, das Spülmittel ausgelaufen. Und natürlich fehlen die Nudeln, die eigentlich der Kern des geplanten Abendessens waren. Ich schiebe alles in die Küche, mein Sohn hat sich längst aufs Sofa fallen lassen und ruft: „Ich will einen Keks!“ Klar. Jetzt ein Keks. Nach all dem.
Ich sortiere die Einkäufe. Finde das Shampoo mit Erdbeerduft. Und ja – ich lasse es stehen. Vielleicht benutze ich es selbst. Als Symbol dafür, dass ich’s geschafft habe. Und weil’s irgendwie nach Sieg riecht.
Später am Abend – das Kind schläft endlich – lehne ich mich zurück, öffne die Chipstüte und denke: Wir haben das heute irgendwie gewuppt. Mit Kratzern, aber auch mit Lachen. Vielleicht liegt genau da das Geheimnis: im Mitmachen. Im Durchhalten. Und im gemeinsamen Chaos.
Fazit: Papa im Supermarkt ist wie ein Abenteuerurlaub
Ohne Packliste. Mit wilden Tieren. Und manchmal auch mit Bananen, die plötzlich verschwinden. Aber am Ende bleibt dieser Moment, in dem dein Kind dich anschaut, zufrieden, satt, ein bisschen müde – und du weißt: Du hast es überlebt. Und das ist mehr, als man manchmal erwarten kann. Du hast improvisiert, du hast gelächelt, du hast nicht geschrien. Zumindest nicht laut. Herzlichen Glückwunsch. Du bist offiziell Papa-zertifiziert für den Supermarkt.