Es gibt diesen einen Moment morgens, wenn die Kaffeemaschine gurgelt, der Frühstückstisch einem Schlachtfeld gleicht und das erste „Papa, ich find meine Socken nicht!“ durch die Wohnung schallt – da greife ich zu meinen Kopfhörern. Nicht um mich abzuschotten, sondern um anzukommen. Bei mir. In meinem Takt. Denn ich bin Papa – und Heim-DJ.
Klingt erstmal seltsam, oder? Ein Vater, der sich morgens Beats auflegt, während um ihn herum das pure Familienchaos tobt. Aber glaub mir: Genau das rettet mir oft den Tag. Es ist wie eine Insel inmitten eines Ozeans aus Kinderlärm, Orga-Stress und Milchklecksen.
Zwischen Brötchenkrümeln und Bassläufen
Früher, in meinem kinderlosen Vorleben, war Musik einfach immer da. Sie lief beim Duschen, beim Lernen, beim Autofahren, beim Rumgammeln. Irgendwann – irgendwo zwischen Kita-Eingewöhnung, schlaflosen Nächten und ersten Windel-Schlachten – ist sie leiser geworden. Und ich mit ihr. Es war nicht plötzlich weg – es war ein langsames Verstummen.
Dann, eines Tages, schnappte ich mir nach dem Zubettbringen der Kinder mein altes DJ-Controller-Setup, stöpselte die Kopfhörer ein und klickte mich durch meine alten Playlists. Irgendwo zwischen einem Funk-Sample und einem leisen Lächeln wusste ich: Das ist es. Das ist mein Ventil. Mein Platz. Mein Soundtrack zum Durchhalten.
Mein Wohnzimmer wird zur Club-Lounge – für eine Person
Ich lege nicht auf für Partygäste. Ich lege auf für mich. Und manchmal für ein imaginäres Publikum, das klatscht, wenn ich zwei Tracks nahtlos ineinander mixe. Mein DJ-Pult steht im Wohnzimmer – direkt neben dem Legoturm, der seit drei Tagen wächst. Das Kabel verläuft zwischen Kindermalbuch und Kaffeemaschine. Mein Setup: ein Laptop, ein kleines Mischpult, gute Kopfhörer und eine Playlist, die mehr über mich verrät als mein Tagebuch.
Ich bin kein Profi. Ich mache keine Übergänge wie im Club. Aber ich mache Stimmung. Für mich. Für mein Inneres. Für den Typen, der sich tagsüber zwischen Elternabend, Spülmaschine und Einkaufszettel verliert. Und in diesen Beats finde ich mein Gleichgewicht.
Kaffee in der einen Hand, Regler in der anderen
Mein DJ-Ritual beginnt fast immer gleich: Ich mache mir einen starken Kaffee, setze mich kurz hin, klappe den Laptop auf, öffne Serato oder Traktor, stöpsle die Kopfhörer ein – und drücke Play.
Das erste Lied ist entscheidend. Es ist wie der erste Satz in einem guten Buch. Wenn er passt, weißt du: Das wird was. Manchmal ist es ein chilliger LoFi-Track. Manchmal Hip-Hop aus den Neunzigern. Oder Elektro. Oder Funk. Je nachdem, wie der Tag war – oder wie ich will, dass er wird.
Ich mische. Ich spiele. Ich höre. Ich vergesse. Ich finde mich wieder. Musik bringt mich wieder in Kontakt mit mir selbst. Mit den Emotionen, die tagsüber keinen Platz hatten zwischen „Wo ist die Brotdose?“ und „Du darfst nicht mit Stiften auf dem Sofa malen!“
Musik als Therapie – und Papa-Medizin
Ich habe festgestellt: Musik wirkt wie Medizin. Sie beruhigt mich, wenn ich durch bin. Sie hebt mich, wenn ich unten bin. Und sie erdet mich, wenn alles zu viel wird. Manchmal ist ein einzelner Song wie ein tiefes Durchatmen. Ein paar Takte reichen, um mich daran zu erinnern, dass ich mehr bin als der Familienorganisator.
Musik bringt mich zurück zu mir. Sie hilft mir, meine Gedanken zu sortieren. Sie hilft mir, nicht alles persönlich zu nehmen. Ich sitze da, die Beats im Ohr, und merke plötzlich: „Das mit dem Streit heute Morgen – das war zu viel. Vielleicht sollte ich nachher nochmal drüber reden.“
Oder ich finde Kraft. Für den nächsten Windelwechsel. Für das nächste Trösten. Für das nächste: „Ich kann nicht schlafen, Papa.“ Musik ist der Soundtrack meines mentalen Wiederaufbaus.
Wenn Musik durch Wände geht – und Herzen erreicht
Meine Kinder kennen Papa als Heim-DJ. Sie fragen mich manchmal: „Was hörst du da?“ Und dann tanzen sie mit. Oder sie sagen: „Mach mal das Lied, das du gestern gehört hast.“ Und ich freue mich. Weil ich sehe: Meine Leidenschaft wird gesehen. Und geteilt.
Manchmal mixe ich ihnen kleine Playlists – „Für den Schulweg“, „Für die Gute-Laune-Am-Morgen“, „Wenn du traurig bist“. Musik wird so zum Band zwischen uns. Zu einem Stück Papa, das bleibt – auch wenn ich gerade nicht da bin.
Und ja, sie lernen dabei auch, dass Erwachsene Träume und Hobbys haben dürfen. Dass wir mehr sind als Brotdosenbefüller und Konfliktmanager. Dass auch Papas tanzen können – wenn auch nur innerlich.
Zwischen Alltag und Auszeit – der DJ im Familienleben
Die Wahrheit ist: Ich bin nicht immer der coolste Vater. Manchmal bin ich müde, gereizt, ungeduldig. Manchmal funktioniert gar nichts. Und in diesen Momenten – wenn ich mir Kopfhörer aufsetze, wenn ich Beats höre, wenn ich für zehn Minuten einfach ich sein darf – finde ich mich wieder. Und dann kann ich auch wieder Papa sein. Ein besserer. Ein echter. Ein verbundener.
Ich glaube, jeder Vater braucht so etwas. Einen Ausgleich. Einen Moment, in dem er nicht muss, sondern darf. Für mich ist es Musik. Für andere ist es das Laufen, das Schreiben, das Schrauben im Keller. Es ist egal was – Hauptsache, es bringt dich zurück zu dir.
Und manchmal, wenn es besonders gut läuft, tanze ich in der Küche. Mit Kaffeetasse und Kopfhörern. Und wenn dann ein Kind reinkommt und lacht, weil Papa so komisch aussieht, dann weiß ich: Ich habe gerade etwas richtig gemacht.
Technik? Reicht, wenn sie läuft – aber ein bisschen Spielerei darf sein
Ich bin kein Nerd. Ich brauche kein Studio. Mein Set ist simpel. Zwei Kanäle, ein Crossfader, ein bisschen EQ. Aber das reicht. Weil es nicht ums Equipment geht. Sondern um das Gefühl. Um diesen Moment, wenn alles klickt. Wenn der Bass sitzt. Wenn der Übergang passt. Wenn dein Herz schneller schlägt und deine Sorgen leiser werden.
Und ja – inzwischen gönne ich mir hier und da ein neues Kabel, einen Controller mit besseren Pads, eine Soundkarte mit sauberem Output. Nicht, weil ich’s muss. Sondern weil es Spaß macht. Weil ich mich selbst ernst nehme in dem, was mir guttut.
Musik ist Erinnerung, Zukunft und Jetzt
Wenn ich meine alten Playlists durchstöbere, finde ich mich selbst darin. Da ist der Song, den ich damals im Urlaub in Dänemark hoch und runter gehört habe. Der Track, der lief, als wir unser erstes Kind nach Hause brachten. Die Playlist, die ich zum Einschlafen des Babys auf dem Arm gehört habe.
Und dazwischen? Neue Entdeckungen. Tracks, die ich noch nicht kannte und die trotzdem etwas in mir auslösen. Musik ist nicht nur mein Ausgleich – sie ist mein emotionales Archiv.
Und gleichzeitig mein Ausblick. Ich plane kleine Sets für irgendwann – für eine Party mit Freunden, für ein Papa-Kind-Disco-Nachmittag im Wohnzimmer, für einen Sommerabend auf der Terrasse. Vielleicht passiert’s nie. Vielleicht aber doch. Und allein der Gedanke daran gibt mir Energie.
Fazit: Papa-DJ sein heißt, sich selbst wieder zu hören
Ich bin kein DJ. Ich bin Papa. Aber manchmal bin ich beides. Und das ist gut so. Weil Musik mir hilft, mich nicht zu verlieren. Weil sie mir zeigt, dass auch zwischen Kita-Stress und Küchentisch noch Platz ist – für Töne, für Träume, für mich.
Und wenn ich dann mit meinem Kaffee in der Hand durch die Wohnung laufe und mein Kind ruft: „Papa, mach mal wieder Musik!“, dann weiß ich: Ich hab alles richtig gemacht. Vielleicht hab ich keine Bühne. Kein Applaus. Aber ich hab meine Kids, meine Beats – und ein Stück Freiheit zwischen zwei Songs.