Erschöpfung ist kein Zeichen von Schwäche. Vor allem nicht, wenn du als Vater jeden Tag jonglierst: Job, Kinder, Partnerschaft, Haushalt – und dann noch irgendwie du selbst sein willst. Klingt nach Superhelden-Programm? Ist es auch. Nur dass selbst Superhelden mal Pause brauchen – und genau deshalb sollten wir Väter endlich offener über unsere Erschöpfung sprechen.
Und nein, es geht hier nicht darum, wer mehr schuftet – Mama oder Papa. Es geht darum, dass wir als Väter oft still und heimlich funktionieren, ohne zu merken, wie sehr wir uns dabei selbst vergessen. Diese stillschweigende Erwartung, immer alles im Griff zu haben, ist tückisch. Sie sorgt dafür, dass wir unser eigenes Wohlbefinden ganz hinten auf der To-do-Liste parken.
Die unsichtbare Müdigkeit: Wenn keiner merkt, wie platt du bist
Kennst du das? Du sitzt abends auf dem Sofa, das Kind ist endlich im Bett, und statt Netflix oder Feierabendbier starrst du einfach nur ins Leere. Du bist leer. Körperlich, emotional, mental. Aber weil du Papa bist – der Fels in der Brandung, der Organisator, der Problemlöser – sagt keiner: „Hey, geht’s dir eigentlich gut?“
Viele von uns funktionieren einfach. Weiter, immer weiter. Müdigkeit wird weggewischt, Erschöpfung belächelt – vor allem von uns selbst. Dabei ist genau das der Punkt, an dem’s gefährlich wird. Denn dieses Dauer-auf-Sparflamme-laufen sorgt irgendwann für einen Totalausfall.
Ich hatte mal so einen Moment im Supermarkt. Die Kids plärrten, ich wollte nur Milch kaufen, und plötzlich stand ich wie festgewurzelt im Gang und hab vergessen, warum ich überhaupt da war. Gehirn wie Matsche. Und in dem Moment dachte ich: „Okay, vielleicht ist es wirklich zu viel.“
Mental Load trifft nicht nur Mamas
Oft wird beim Thema Mental Load sofort an Mütter gedacht. Klar, auch völlig zurecht. Aber wir Väter tragen ebenfalls einen ordentlichen Packen Verantwortung mit uns rum. Vielleicht anders verteilt, vielleicht nicht so offensichtlich – aber präsent.
Wir denken mit: Wann ist der nächste Kinderarzttermin? Muss die Regenjacke gewaschen werden? Wie war nochmal das Passwort für die Kita-App? Und ganz ehrlich: Auch emotionale Fürsorge, Gespräche mit Lehrern oder das nächtliche Aufstehen machen nicht Halt vorm Papa.
Es sind nicht nur die großen Dinge, sondern dieser ständige Hintergrundlärm im Kopf. Du vergisst den Turnbeutel? Zack, schlechtes Gewissen. Du hast keine Lust mehr auf Lego-Türme? Zack, schlechtes Gewissen. Und dann noch die innere Stimme, die sagt: „Stell dich nicht so an.“
Warum wir das Thema oft runterschlucken
Es gibt da so ein hartnäckiges Bild vom starken Mann. Der, der alles im Griff hat. Der funktioniert. Der nicht jammert. Und ganz tief in uns haben viele von uns dieses Bild irgendwie abgespeichert – vielleicht, weil unser eigener Vater so war, oder weil es von außen immer wieder bestätigt wird.
Aber dieses Bild ist veraltet. Es bringt uns nichts. Im Gegenteil: Es hindert uns daran, ehrlich zu uns selbst zu sein. Und auch zu unseren Partnerinnen, Freunden oder Kollegen. Statt zu sagen: „Ich kann nicht mehr“ – knirschen wir mit den Zähnen und machen weiter.
Ich hab lange gebraucht, um mir selbst einzugestehen, dass ich nicht immer der Starke sein muss. Dass es okay ist, sich mal schwach zu fühlen. Dass es nicht unmännlich ist, zu sagen: „Heute kann ich nicht.“
Was passiert, wenn wir nie darüber sprechen
Wenn du deine Erschöpfung dauerhaft ignorierst, holt sie dich irgendwann ein. Nicht unbedingt mit einem großen Knall – manchmal eher schleichend. Konzentrationsprobleme, Gereiztheit, Schlafstörungen, Rückenschmerzen, emotionale Leere – all das sind Warnzeichen.
Und irgendwann kommt der Punkt, an dem du nicht mehr weiterfunktionierst. Der Körper zieht die Notbremse. Und genau das wollen wir doch eigentlich verhindern, oder?
Ein befreundeter Papa hat das mal „funktionierende Erschöpfung“ genannt. Du schaffst den Alltag noch, aber du bist dabei längst nicht mehr du selbst. Und das merkt nicht nur dein Körper – das merkt auch dein Umfeld. Deine Kinder, deine Partnerin. Weil du gereizter wirst, ungeduldiger, leerer.
Reden hilft – und es ist einfacher, als du denkst
Du musst nicht gleich eine Therapie starten (obwohl das natürlich völlig okay wäre!). Oft reicht es schon, einem Freund gegenüber ehrlich zu sein. Oder der Partnerin. Oder einem Kollegen, der auch Papa ist. Dieses einfache: „Ey, ich bin echt fertig gerade.“ – kann schon so viel Druck rausnehmen.
Und das Beste: Du wirst merken, du bist nicht allein. Die meisten Papas kennen das Gefühl – sie sagen’s nur nicht. Aber einer muss ja mal anfangen, oder?
Ich hatte neulich so ein Gespräch im Park. Eigentlich wollten wir nur quatschen, während die Kids rutschen. Und plötzlich hat mein Kumpel gesagt: „Boah, ich fühl mich manchmal wie ein Zombie.“ Und ich? Ich konnte nur nicken. Das war der ehrlichste Moment der Woche.
Wie du den ersten Schritt machst
Vielleicht brauchst du einen Moment, um dich selbst ernst zu nehmen. Das ist okay. Fang klein an. Erlaub dir zu spüren, wie’s dir wirklich geht. Und dann sprich es aus – nicht entschuldigend, sondern als Tatsache.
- Sag deinem Umfeld, wenn dir alles zu viel wird.
- Gönn dir Auszeiten – echte Auszeiten, nicht „Ich mach schnell noch den Abwasch“-Pausen.
Und such dir deine Wohlfühl-Inseln. Vielleicht ist es der Spaziergang mit Kopfhörern, ein Abend allein mit Pizza und Serie, oder einfach zehn Minuten mit geschlossener Tür im Bad (ja, auch das kann Luxus sein). Wichtig ist nur: Du machst es bewusst. Für dich.
Was wir unseren Kindern mitgeben, wenn wir offen sind
Wenn wir über unsere Erschöpfung sprechen, zeigen wir unseren Kindern etwas ganz Wichtiges: Dass Gefühle okay sind. Dass niemand immer stark sein muss. Und dass Selbstfürsorge keine Schwäche, sondern eine Stärke ist.
So lernen unsere Kinder – ganz nebenbei – wie gesunde Männlichkeit aussehen kann. Wie man Verantwortung übernimmt, ohne sich selbst zu verlieren. Und wie man füreinander da ist, ohne sich selbst zu vergessen.
Und wer weiß – vielleicht wird dein Kind in zwanzig Jahren mal sagen: „Mein Papa hat mir gezeigt, dass echte Stärke auch heißt, ehrlich mit sich selbst zu sein.“
Fazit: Raus aus dem Funktionsmodus, rein ins echte Leben
Erschöpfung gehört zum Papa-Alltag dazu – und sie sollte kein Tabuthema sein. Du musst kein Held sein, der nie müde wird. Es reicht völlig, ein Mensch zu sein. Einer, der liebt, lacht, kämpft – und manchmal auch kaputt ist.
Also, lass uns drüber reden. Nicht nur, weil’s uns selbst guttut. Sondern auch, weil wir damit einen Unterschied machen – für unsere Familien, für unsere Jungs und Mädels, und für uns selbst.
Denn manchmal ist das größte Geschenk, das du dir und deiner Familie machen kannst, ein ehrliches: „Ich brauch mal eine Pause.“