Es gibt Abende, da schreit alles nach Netflix, Chips und Nicht-mehr-denken. Aber dann ist da dieses Sofa. Und das Buch, das schon seit Wochen auf dem Couchtisch liegt. Ich greif danach – und zack, bin ich weg. Nicht aus dem Wohnzimmer, aber doch ganz woanders. Zwischen zwei Buchdeckeln liegt meine kleine Flucht aus dem Alltagswahnsinn.
Manchmal reicht ein Satz, ein Absatz – und mein Kopf beginnt zu schweben. Da ist es plötzlich egal, dass die Spülmaschine noch ausgeräumt werden will oder dass irgendwo im Flur wieder eine Socke ein Eigenleben entwickelt. Wenn ich lese, bin ich woanders. Und genau das brauche ich: eine kleine mentale Auszeit von dem großen, lauten Papa-Karussell.
Warum Lesen für mich mehr ist als Zeitvertreib
Als Papa hab ich gemerkt: Wenn ich lese, vergesse ich den Lärm um mich herum. Und das meine ich wortwörtlich. Kinderlachen, Spülmaschinengeklapper, der Staubsauger-Roboter, der wieder die Playmobil-Ritter verschluckt – alles wird plötzlich leiser. Nicht weil’s wirklich still ist, sondern weil mein Kopf endlich eine Pause macht. Es ist wie ein unsichtbarer Lärmschutz für die Seele.
Ein gutes Buch zieht mich rein wie ein Sog. Ob Roman, Biografie oder irgendein skurriles Sachbuch über Nordsee-Leuchttürme – Hauptsache, es packt mich. Denn dann zählt nur noch die Geschichte. Und das Sofa, das wie ein weicher Hafen ist, in dem ich endlich mal nicht verfügbar sein muss.
Ich lese nicht nur, ich tauche ein. Ich lebe mit, ich fühle mit. Und manchmal – das ist das Beste – erkenne ich mich wieder. In einem überforderten Vater-Charakter, in einem Helden, der keine Ahnung hat, was er da eigentlich tut, oder in einer Figur, die genau wie ich zwischen zwei Welten balanciert: Familie und Ich-Zeit.
Zwischen Kindern und Kapiteln
Ich lese nicht jeden Abend. Manchmal penne ich beim Vorlesen des fünften Pixi-Buchs selbst ein. Oder ich lasse das Buch aus der Hand fallen, weil ein plötzlicher Geschwisterstreit durch die Wand dröhnt. Aber wenn ich es schaffe, mir auch nur 20 Minuten zu klauen – dann ist das wie ein Kurzurlaub. Ich mach’s mir mit einer Decke bequem, Füße hoch, Buch auf, Welt aus.
Manchmal klappt das sogar mitten am Tag. Ein Kinderfilm läuft, alle sind ausnahmsweise mal zufrieden – und ich gönne mir drei Kapitel auf dem Sofa. Kurz mal raus aus dem Funktionsmodus, rein in die Geschichte. Ich lese und merke, wie mein Puls langsamer wird, wie ich ruhiger atme. Und das ganz ohne Meditations-App.
Meine Kids kennen das inzwischen. Wenn Papa das Buch auf dem Bauch hat, gibt’s nur im Notfall Unterbrechungen. Okay, in der Theorie. In der Praxis klappt das so semi – aber der Gedanke zählt. Und manchmal legen sie sich einfach dazu. Dann lesen wir gemeinsam. Jeder in seinem Buch. Oder ich lese vor, bis wir alle darüber einschlafen.
Das Sofa: Mein Thron der Gelassenheit
Früher war unser Sofa einfach nur ein Sitzmöbel. Jetzt ist es mein Ruhepol. Mein Ort, an dem ich nicht entscheiden muss, was es morgen zu essen gibt, wo das zweite Paar Gummistiefel ist oder wie man Legotürme repariert. Es ist mein Thron – ohne Krone, aber mit Leselampe.
Hier darf ich runterkommen. Und nein, ich muss nicht immer Dostojewski lesen. Auch ein seichter Krimi oder ein Papa-Ratgeber mit Augenzwinkern tut’s. Hauptsache, das Hirn kann einmal durchlüften. Lesen hilft mir dabei, meine Gedanken zu sortieren. Oft gehe ich mit einer klareren Sicht aus dem Buch zurück ins echte Leben – sogar mit einer Idee, wie ich den nächsten Papa-Feuerwehr-Einsatz souveräner angehe.
Das Sofa ist wie ein unsichtbarer Schutzschild. Wenn ich da sitze, ein Buch in der Hand, dann bin ich nicht nur Vater, Ehemann, Haushaltskoordinator – sondern auch wieder ich. Der Typ, der sich für Geschichten interessiert, für Menschen, für kleine Fluchten mit großer Wirkung. Und dieser Typ kommt im Familienalltag oft zu kurz. Lesen hilft mir, ihn nicht zu verlieren.
Lesen macht mich besser – oder zumindest entspannter
Ich bilde mir nicht ein, durch Bücher zum Superdad zu mutieren. Aber ich merke: Wenn ich lese, bin ich ruhiger. Ich reagiere gelassener, lache öfter, rege mich weniger über die zehnte Milchpfütze auf dem Küchentisch auf. Vielleicht liegt’s an der Distanz, die das Lesen schafft. Vielleicht auch daran, dass ich mich selbst wieder ein Stück ernster nehme.
Denn wer liest, nimmt sich Zeit. Und das ist als Papa oft das Wertvollste überhaupt. Zeit für mich. Für Gedanken. Für Zeilen, die berühren, aufrütteln oder einfach nur unterhalten. Und die mir zeigen: Ich darf auch einfach mal sein. Ohne To-do-Liste. Ohne schlechtes Gewissen.
Es gibt Bücher, die haben mich verändert. Nicht grundlegend, aber in kleinen, feinen Nuancen. Sie haben mir geholfen, Dinge anders zu sehen. Oder einfach nur gezeigt, dass ich mit meinen Gedanken nicht allein bin. Gerade als Vater ist das Gold wert. Denn in dem täglichen Ringen um Balance und Geduld kann ein einziger kluger Satz manchmal Wunder wirken.
Und manchmal reicht auch ein simpler Moment. Ich sitze auf dem Sofa, lese einen lustigen Dialog – und lache. Laut. Ehrlich. Und plötzlich ist da wieder Leichtigkeit. Die war vorher auch da, aber verborgen unter einer dicken Schicht Alltag. Das Buch hilft mir, sie wiederzufinden.
Fazit: Buch auf, Welt aus, Papa an
Ein Buch auf dem Bauch, das Sofa im Rücken und endlich mal niemand, der was von mir will – das ist für mich echte Qualität. Kein Luxus, sondern Notwendigkeit. Lesen ist meine Art, den Akku aufzuladen, mich zu sortieren und zwischendurch einfach mal loszulassen.
Also ja: Mein Buch, meine Ruhe, mein Sofa. Und vielleicht noch ein bisschen Schokolade. Mehr braucht es manchmal nicht, um die Papabatterien wieder halbwegs aufzuladen.
Vielleicht ist es kein Abenteuerurlaub oder Spa-Wochenende, aber es ist mein Moment. Mein Stück Freiheit im Familienchaos. Und wenn ich das Buch zuschlage, hab ich nicht nur eine Geschichte gelesen – ich hab mir selbst ein Stück Ruhe geschenkt.