Wenn ich an die ersten Wochen mit unserem Baby denke, erinnere ich mich vor allem an eins: Rückenschmerzen. Nicht wegen des Babys selbst, sondern wegen all der Versuche, es irgendwie nah bei mir zu tragen – ohne mich dabei wie ein kaputter Kran zu fühlen. Ich wollte ein Papa zum Anlehnen sein. Stattdessen war ich ein Papa mit Wärmepflaster. Der Grund? Die falsche Tragehilfe.
Heute, einige Monate und gefühlte 100 Kilometer mit Kind am Bauch später, weiß ich: Nicht jede Trage ist gleich. Und schon gar nicht jeder Papa ist gleich gebaut. Was bei meiner Frau locker sitzt, hat mir die Luft abgeschnürt. Und was beim Verkäufer top wirkte, fühlte sich beim Spaziergang an wie ein schlechter Schulranzen.
Also habe ich – mal wieder – den Selbsttest gemacht. Ich hab verschiedene Tragehilfen ausprobiert, mich durch Gurte gekämpft, YouTube-Tutorials geschaut, Bewertungen gelesen, Trageberaterinnen kontaktiert und mit anderen Vätern gesprochen. Was folgt, ist meine ehrliche Papa-Geschichte zwischen Tragefrust, Rückenmassagen und echten Aha-Momenten – inklusive kleiner Erleuchtungen am Wickeltisch.
Warum ich überhaupt tragen wollte
Das mit dem Tragen war für mich keine Frage des Trends. Ich wollte meinem Kind nah sein. Ich wollte Bewegung, Freiheit, Hände frei fürs Leben. Und ich wollte meiner Partnerin etwas abnehmen. Ich hatte Bilder im Kopf von Vätern im Park, Baby an der Brust, Kaffee in der Hand, alle lächeln. Sah locker aus. Spoiler: Ist es nicht immer.
Tragen ist Nähe. Tragen ist Liebe. Aber Tragen ist auch Technik. Und genau daran bin ich anfangs gescheitert. Ich dachte: Draufgeschnallt, fertig. Aber nein. Es gibt Gurte. Einstellungen. Trageweisen. Bauch. Rücken. Hüfte. Die große Frage: Womit fängt man überhaupt an? Und dann kommen noch Fragen wie: Ist das Baby alt genug? Sitzt es ergonomisch? Was macht das mit meinem Rücken?
Die große Tragevielfalt – ein Überblick mit Papa-Brille
1. Das elastische Tragetuch
Unser erstes Modell. Riesiges Stück Stoff. Drei Meter lang, weich, kuschelig. Die Idee: einfach binden, Baby rein, los geht’s.
Vorteile:
- Sehr nah am Körper
- Günstig in der Anschaffung
- Toll für Neugeborene
Nachteile:
- Das Binden! Ich hab geflucht wie beim Ikea-Schrankaufbau
- Bei Hitze zu viel Stoff
- Nicht ideal für größere Babys oder längere Strecken
Mein Fazit: Emotional toll, praktisch schwierig. Ich kam mir vor wie eine Nudel im Knoten. Wenn man’s draufhat, super – ich hatte’s nicht drauf. Und wenn man draußen im Park vorm Spielplatz steht und bei Regenwind versucht, das Teil zu wickeln – ja, dann sehnt man sich doch nach Schnallen.
2. Die klassische Komforttrage mit Schnallen
Unser nächstes Modell: Klick, Klick, festziehen, fertig. Oder so ähnlich. Die Trage war stabil, verstellbar, wirkte wie ein kleiner Rucksack fürs Baby.
Vorteile:
- Schnell anzulegen
- Gute Gewichtsverteilung
- Für große Babys geeignet
Nachteile:
- Viele Schnallen = viele Möglichkeiten für Fehler
- Braucht Feineinstellung, bis alles sitzt
- Nicht jede Trage passt zu jedem Körper
Mein Fazit: Besser für meinen Rücken – aber nur, wenn richtig eingestellt. Ich hab irgendwann gelernt, vorher im Spiegel zu checken, ob alles symmetrisch sitzt. Sonst: Ziehen im Kreuz. Einmal stand ich mit schiefer Trage vorm Bäcker – mein Rücken hat sich beschwert, mein Baby aber geschlafen. Wer gewinnt? Klar: das Baby.
3. Halfbuckle-Trage – das Hybridmodell
Kombiniert Tuch und Schnallen. Hüftgurt mit Klick, Schulterträger zum Binden. Klingt erstmal kompliziert, ist aber ein guter Kompromiss.
Vorteile:
- Flexibler Sitz
- Individueller anpassbar
- Etwas leichter zu lernen als das Tuch
Nachteile:
- Schultern müssen gut gebunden sein, sonst rutscht’s
- Bei Regen nervt das lange Stoffende
Mein Fazit: Überraschend gut. Hat mir den Rücken nicht gerettet – aber definitiv geschont. Ich fühlte mich irgendwie geerdet damit – nicht zu technisch, nicht zu hippiemäßig. Und das Binden ging nach drei Versuchen sogar im Halbschlaf.
4. Rückentrage – das Outdoor-Teil
Ich wollte wandern. Also die große Rückentrage besorgt. Mit Metallrahmen, Polsterung, Sonnenverdeck. Sieht aus wie ein Mini-Bergsteigerpaket.
Vorteile:
- Super für lange Strecken
- Viel Platz für Gepäck
- Cooles Design
Nachteile:
- Schwer
- Nicht für Neugeborene
- Nix für den Alltag
Mein Fazit: Für Ausflüge top. Für den Supermarkt oder Spielplatz: overkill. Dafür fühlte ich mich beim Wandern plötzlich wieder wie ein Abenteurer – trotz schmatzendem Baby im Nacken.
5. Ring Sling – das Ein-Schulter-Tuch
Kurz getestet, nie wieder. Zu einseitig für meinen Rücken. Aber ich erwähne es fairerweise.
Vorteile:
- Schnell anzulegen
- Kompakt, passt in jede Wickeltasche
Nachteile:
- Einseitige Belastung
- Nicht gut für längere Tragezeiten
Mein Fazit: Für Papas mit Rücken: eher nein. Aber zum schnellen Tragen in der Wohnung vielleicht ganz nett.
Mein Rücken vs. die Trage – eine Beziehung mit Hindernissen
Ich bin kein zierlicher Typ. 1,87 Meter, breite Schultern, leichtes Hohlkreuz. Nicht jede Trage ist für mich gemacht. Viele Modelle waren einfach zu schmal, die Schultergurte zu kurz, die Einstellungen nicht auf größere Papas ausgelegt. Ich hab gelernt: Die Passform ist alles. Und: Eine Trage muss zum Körper UND zum Baby passen.
Ein weiteres Problem: Ich habe anfangs gedacht, „fester“ sei „besser“. Je enger geschnallt, desto sicherer. Falsch. Ich hatte oft Druck auf den Schultern, weil ich zu stark gezogen habe. Erst ein Gespräch mit einer Trageberaterin (!) hat mir gezeigt, wie ich Gewicht besser auf die Hüfte verlagere. Ab da wurde es besser – und mein Rücken dankte es mir.
Und dann war da noch der Moment im Aufzug mit einem anderen Papa. Er sah meine schief sitzende Trage, nickte verständnisvoll und sagte nur: „Warte, ich zeig dir einen Trick.“ Fünf Minuten später saß alles perfekt. Manchmal braucht’s eben kein Tutorial – sondern echte Papa-Solidarität.
Was mir wirklich geholfen hat
- Beratung! Eine Trageberatung war Gold wert. Hätte ich viel früher machen sollen.
- Spiegel checken – immer nochmal selbst schauen, ob alles gut sitzt.
- Nicht aufgeben – die erste Trage muss nicht die beste sein.
- Kurze Strecken üben – nicht gleich den Waldspaziergang machen.
- Auf die eigene Haltung achten – Schultern runter, nicht verkrampfen.
- Geduld! – Manchmal braucht es mehrere Anläufe, bis alles passt.
- Austausch mit anderen Vätern – bringt oft mehr als jede Anleitung.
Die emotionale Seite des Tragens
Trotz allem Tragefrust: Es gab nichts Schöneres, als unser Baby ganz nah bei mir zu haben. Dieses warme Gewicht. Das Gefühl, gebraucht zu werden. Die kleine Hand am T-Shirt. Tragen hat mich als Papa emotional nähergebracht – gerade in den ersten Monaten, wenn vieles sonst noch fremd ist.
Ich hab gelernt, mein Baby an meinen Herzschlag zu gewöhnen. Hab gespürt, wann es sich entspannt. Und ja – es gab viele Momente, in denen mein Rücken geschrien hat. Aber das Herz hat oft gesagt: „Noch ein bisschen.“
Auch nachts, wenn gar nichts mehr half, hab ich das Baby in die Trage genommen, durch die dunkle Wohnung geschaukelt – und irgendwann war Ruhe. Diese magischen Minuten, wenn das Schnaufen leiser wird und der Kopf sich anlehnt – unbezahlbar. Da waren Schmerz und Erschöpfung plötzlich egal.
Mein Fazit als Papa mit Rücken und Herz
Tragen ist toll. Aber nur, wenn es passt. Für dich, für dein Kind, für deinen Alltag. Nimm dir Zeit, probiere aus. Sei nicht frustriert, wenn’s am Anfang unbequem ist. Und vor allem: Mach’s auf deine Art. Nicht jede Tragehilfe rettet den Rücken – aber sie kann Nähe schenken, die unbezahlbar ist.
Und ja – vielleicht brauchst du drei Modelle, bis du das Richtige findest. Vielleicht wird dein Lieblingsmodell dann auch das deines Kindes. Und vielleicht wirst du irgendwann – wie ich – im Café sitzen, Baby schlafend an deiner Brust, und denken: „So fühlt sich Papa sein richtig an.“