Man hat ja so romantische Vorstellungen: Ein gemütlicher Stadtbummel mit Kind. Papa schiebt den Buggy entspannt durch die Fußgängerzone, gönnt sich einen Kaffee to go, das Kind guckt neugierig in die Schaufenster, vielleicht ein kleiner Snack, ein Besuch beim Buchladen – Quality Time Deluxe. Die Realität? Ein Balanceakt zwischen Straßenlärm, Kinderlaunen und der großen Frage: Warum zur Hölle schiebe ich den Buggy, wenn mein Kind plötzlich beschlossen hat, lieber zu rennen?
Alles beginnt mit einer kleinen Mission
Es war ein ganz gewöhnlicher Vormittag. Meine Frau hatte einen Termin, ich hatte Elternzeit – und wir hatten ein Kind, das dringend frische Luft brauchte. Die Idee: Papa macht einen kleinen Stadtbummel mit dem Kleinen. Vielleicht ein paar Besorgungen, ein Brötchen auf die Hand, ein bisschen Schlendern. Klingt machbar.
Ich schnappte mir den Buggy, schnallte Kind samt Kuscheltier fest, warf Windeln, Feuchttücher und Snacks in den Rucksack – und los ging’s. Bis zum Stadtzentrum war es ein kurzer Weg. Ich fühlte mich organisiert, bereit, fast professionell.
Der Bummel beginnt – mit Schwung
Anfangs lief alles wie geplant. Der Kleine saß zufrieden im Buggy, betrachtete staunend die vorbeirauschende Welt, winkte jeder Busfahrerin und kommentierte lautstark jedes Fahrrad. Ich gönnte mir einen Cappuccino, balancierte Becher in der einen, Buggygriff in der anderen Hand und war kurz davor, mich selbst zu feiern.
Doch dann kam der Moment, den alle Buggy-Papas fürchten: „Ich will laufen!“
Klingt harmlos? Ist es nicht. Denn von da an wurde aus meinem Stadtbummel ein Hindernislauf – mit leerem Buggy als Alibi, einem Kleinkind im Zickzackkurs und einer Geduld, die auf die Probe gestellt wurde.
Der Buggy als Gepäckträger wider Willen
Ich ließ ihn also laufen. Klar, motorische Entwicklung fördern, Selbstständigkeit und so. Innerlich hoffte ich, er würde nach fünf Minuten wieder in den Buggy zurückkrabbeln. Falsch gedacht.
Der Buggy wurde kurzerhand zum Gepäckwagen: Rucksack drauf, Jacke über den Schiebegriff, leerer Becher in den Getränkehalter. Mein Sohn tanzte derweil vor mir her, entdeckte Gullideckel, zeigte auf Hunde, sammelte Kieselsteine – und wollte jeden davon behalten.
Ich versuchte, ihn im Blick zu behalten, während ich gleichzeitig den Buggy vor Schaufenstern, Rollatoren und fluchenden E-Scooter-Fahrern vorbeimogelte. Wenn es ein olympisches Buggy-Slalom gäbe – ich wäre vorn dabei.
Die Schuhlösung
Natürlich war die Begeisterung fürs Laufen nicht von Dauer. Irgendwann – mitten auf dem Platz vorm Rathaus – ließ er sich einfach auf den Boden plumpsen.
„Ich bin müde!“
Ich wollte gerade erleichtert den Buggy freiräumen, da zog er sich die Schuhe aus. Mit einem triumphierenden „Papa, guck mal!“ reichte er mir seine kleinen, verschwitzten Sneakers. Ich hatte keinen Plan B – nur den Wunsch, nicht barfuß durch Taubenflair und Kaugummireste zu marschieren.
Also: Schuhe wieder an, Kind mit überredungskünstlerischen Tricks in den Buggy, ein kleiner Snack zur Beruhigung, weiter ging’s.
Fünf Minuten später: „Ich will wieder laufen.“
Rolltreppen, Rutschen und spontane Streiks
Wir waren mittlerweile im Einkaufszentrum angekommen. Ziel: ein neuer Pulli fürs Kind. Realistisch: keine Chance. Denn mein Sohn hatte andere Pläne. Die Rolltreppe wurde zur Hauptattraktion. Hoch. Runter. Wieder hoch. Diskussionen inklusive, warum er nicht alleine fahren darf.
Und dann kam das Highlight: ein kleiner Rutschenturm mitten im Center. Ich dachte: perfekt. Ich kann kurz sitzen, er rutscht sich müde. Pustekuchen. Ich durfte mit. Ich – ein erwachsener Mann – krabbelte durch ein quietschbuntes Röhrenlabyrinth, während mein leerer Buggy unten unbeaufsichtigt stand und von einer älteren Dame mitleidig beäugt wurde.
Snack-Zeit und Sitzblockade
Zurück auf der Einkaufsstraße: Es war Zeit für eine Pause. Ich holte uns Brezeln und Wasser. Mein Sohn saß kurz im Buggy – immerhin. Doch kaum war der Snack verspeist, rutschte er wieder raus.
Dann kam das, was ich „die Sitzblockade des kleinen Mannes“ nenne: Mitten auf dem Gehweg setzte er sich demonstrativ hin, die Arme verschränkt, der Blick stur. Grund? Niemand weiß es. Vielleicht ein Stein im Schuh. Vielleicht nur, weil er es kann.
Ich stand da mit Buggy, Einkaufstüte, halb leerem Becher und der Gewissheit: Ich habe keine Kontrolle. Nur noch Humor.
Hilfe von außen – oder auch nicht
Natürlich kamen hilfsbereite Passanten.
„Na, der will wohl nicht mehr?“ – Nein. Danke für die Analyse.
„Früher hätten wir das Kind einfach getragen.“ – Super Idee. Kommen Sie bitte kurz mit?
Ich versuchte zu lächeln, hob meinen Sohn samt Einkauf und balancierte alles irgendwie zurück in den Buggy. Wieder war er glücklich. Für fünf Minuten. Dann: „Papa, ich muss pipi.“
Die Suche nach der Toilette – ein Wettlauf gegen die Zeit
Und jetzt begann die eigentliche Challenge: Wo findet man in der Innenstadt eine saubere, erreichbare Toilette mit Buggy, Einkauf und einem Kind, das „ganz dringend“ muss? Wir rannten (ich schob, er zappelte), fanden schließlich eine, natürlich im obersten Stock des Kaufhauses, mit kaputtem Aufzug. Ich trug den Buggy die Treppe hoch, mein Sohn kommentierte alles lautstark – inklusive meiner roten Birne.
Oben angekommen: „Geht wieder.“
Ich habe selten so sehr gezweifelt an meinem Dasein als Stadtabenteurer.
Der Rückweg – mit Umwegen und Umarmung
Ich wollte nach Hause. Mein Sohn wollte nicht. Also bummelten wir noch einmal durch den Spielzeugladen (schauen, nicht kaufen). Und irgendwann, als ich dachte, es geht nicht mehr, kam dieser Moment: Er kam zu mir, legte seine kleinen Arme um meine Beine und sagte: „Papa, das ist schön mit dir.“
Boom. Papa-Herz schmilzt. Sofort.
Ich setzte ihn in den Buggy, er ließ sich anschnallen, wir fuhren los – beide glücklich. Fürs Erste.
Fazit: Stadtbummel mit Kind ist kein Spaziergang – aber ein echtes Abenteuer
Würde ich’s wieder tun? Klar. Auch wenn ich mehr geschwitzt habe als beim Spinningkurs, weniger erledigt hab als geplant und gefühlt zwanzigmal umsonst den Buggy geschoben hab. Aber ich war mit meinem Kind unterwegs. Ich hab ihn erlebt, ihn gehört, ihn begleitet – und wir hatten unseren Moment.
Beim nächsten Mal? Nehm ich weniger vor. Vielleicht nur Brötchen holen. Oder Enten füttern. Oder einfach einen Plan B für Schuhe, Snacks und spontane Sitzstreiks.
Denn manchmal reicht genau das.