Es fing – wie so oft – ganz harmlos an. Mein Sohn (11) saß mit seinem Handy am Küchentisch, grinste in sein Display und wippte rhythmisch mit dem Kopf. Ich, neugierig wie ein Eichhörnchen auf Koffein: „Was guckst du da?“ – „Nur TikTok, Papa.“ Und dann kam der Satz, der mein Leben verändern sollte: „Du könntest das eh nicht.“
Challenge accepted
Was folgte, war der wohl unangenehmste Nachmittag meines Vater-Daseins – und gleichzeitig eine der lustigsten Lektionen in Sachen Eltern-Kind-Verständnis. Denn ich habe es getan: Ich habe einen TikTok-Tanz gelernt. Vor laufender Kamera. In Socken. Auf glattem Boden. Und mit jeder Menge innerem Widerstand.
Der Einstieg: Zwischen Hüftschwung und Haltungsschaden
„Es ist ganz einfach“, sagte mein Sohn, während er mir ein 15-sekündiges Video zeigte, das in meiner Welt locker als Bewerbung für eine Tanzschule durchging. Ich sah: synchronisierte Moves, schnelle Handbewegungen, Hüftschwung, Lächeln. Ich fühlte: nichts außer Unsicherheit in jeder Körperzelle.
Mein Sohn versuchte mir den Ablauf zu erklären. „Du machst erst das hier, dann drehst du dich, dann klatschst du, und dann – ganz wichtig – dieser Slide.“ Klar, total easy. Mein Körper verstand allerdings nur: „Stolpern, Arme verwirren, kurz das Gleichgewicht verlieren.“
Nach zehn Minuten hatte ich Muskelgruppen aktiviert, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren. Nach zwanzig war ich schweißnass. Nach dreißig: bereit für die Peinlichkeit meines Lebens. Und die absolute Erkenntnis: Ich bin nicht mehr 20. Nicht mal ansatzweise.
Es war faszinierend, wie ernst mein Sohn das nahm. Er wurde zum Coach, zum Choreografen, zum unnachgiebigen Taktgeber. Jeder meiner Fehltritte wurde kommentiert, analysiert – und mit einem Augenrollen versehen, das nur Vorpubertierende so perfekt beherrschen. Plötzlich war er der Experte, ich der Anfänger. Und das war gut so.
Zwischendurch musste ich lachen – nicht nur über mich selbst, sondern auch über die absurde Situation: Ein fast 40-jähriger Papa versucht, die Moves zu meistern, die sonst Teenager tanzen, während ein Elfjähriger die Takte zählt wie ein Drill Instructor. Ich hab mich selten so jung und gleichzeitig so alt gefühlt.
Der Dreh: Kamera läuft, Papa auch (irgendwie)
Das Set-up war simpel: Handy auf Bücherstapel, Wohnzimmer halbwegs aufgeräumt, Socken farblich abgestimmt. Mein Sohn übernahm die Regie. „Du musst lächeln, Papa! Sonst sieht es aus, als wärst du beim Zahnarzt.“
Ich tanzte. Ich vergaß. Ich wiederholte. Ich lachte. Mein Sohn lachte mehr. Irgendwann gelang ein Durchlauf – also so halb. Die Hände waren nicht synchron, der Slide sah aus wie ein Ausrutscher auf nassem Fliesenboden, aber hey: Ich hatte es durchgezogen.
Während ich mich mühsam durch die Bewegungen kämpfte, fragte ich mich, wie das eigentlich andere Väter machen. Gibt es irgendwo geheime TikTok-Tanz-Trainingslager für Eltern? Oder bin ich einfach nur besonders talentfrei? Egal. Ich war dabei. Live. In Farbe. Und in voller Blamage.
Am besten war der Moment, in dem mein Sohn plötzlich meinte: „Okay, das war gar nicht so schlecht.“ Ein Ritterschlag! Ich überlegte ernsthaft, ob ich das Video vielleicht doch posten sollte – mit einem ironischen Kommentar natürlich. So in der Art: „Papa goes viral (fast).“
Das Video wurde gespeichert, aber nicht veröffentlicht. „Papa, das bleibt in der Familie.“ Danke, mein Sohn. Danke. Irgendwie war ich erleichtert. Und gleichzeitig ein bisschen enttäuscht – hatte ich doch insgeheim auf viralen Ruhm gehofft. Na gut. Vielleicht nächstes Mal.
Die Nachwirkungen: Fremdscham & Verständnis
Am Abend saßen wir auf dem Sofa und schauten das Video an. Ich lachte Tränen. Mein Sohn auch – aber irgendwie liebevoll. Er meinte: „Du hast’s wenigstens versucht. Die meisten Eltern sagen nur, TikTok sei Quatsch.“
Und genau das war der Punkt: Ich hab vielleicht nicht geglänzt, aber ich hab mich reingehängt. Und das hat was verändert zwischen uns. Für einen Moment war ich nicht nur der nervige Erwachsene, der immer „Mach das Handy aus“ ruft. Sondern ein Papa, der sich auch mal zum Affen macht – freiwillig.
Es war eine dieser seltenen Gelegenheiten, in denen du als Vater nicht erklärst, nicht verbietest, nicht moralapostelst – sondern einfach nur mitmachst. Und das verändert die Perspektive. Bei deinem Kind. Und bei dir selbst.
Am nächsten Tag erzählte mein Sohn einem Freund vom „TikTok-Debakel“. Ich hörte, wie er sagte: „Mein Papa ist echt verrückt – aber cool.“ Das war der Moment, in dem ich wusste: Alles richtig gemacht.
Und ehrlich: Seitdem ist irgendwas anders. Die Art, wie er mich anschaut. Wie er mir erzählt, was auf TikTok gerade „im Trend“ ist. Ich bin nicht plötzlich ein Kumpel auf Augenhöhe – aber ich bin ihm ein Stück näher gerückt. Und das, mein Freund, ist mehr wert als jeder perfekt getanzte Slide.
Bonus-Level: Mein Learning als Papa
Ich hab aus diesem Selbstversuch mehr mitgenommen, als nur ein leicht verstauchtes Ego. Ich habe gelernt:
- Es lohnt sich, Neues auszuprobieren – auch (oder gerade) wenn es außerhalb deiner Komfortzone liegt.
- Unsere Kinder brauchen keine perfekten Vorbilder. Sie brauchen ehrliche, mutige und manchmal peinliche Menschen, die zeigen, dass Scheitern dazugehört.
- Manchmal ist das größte Geschenk, das wir unseren Kids machen können, unsere Zeit – und unser Wille, ihre Welt zu verstehen, auch wenn sie uns fremd vorkommt.
Und vielleicht braucht es auch genau solche Aktionen, um die Fronten zwischen „Alt“ und „Jung“, „Analog“ und „Digital“, „Papa“ und „TikTok-Fan“ ein wenig weicher zu machen. Vielleicht sind wir nicht so verschieden, wie es manchmal scheint – wenn wir bereit sind, uns aufeinander einzulassen.
Ich werde diesen Tanz nie vergessen. Nicht wegen der Moves, sondern wegen des Moments. Und wer weiß – vielleicht tanzen wir irgendwann gemeinsam, ohne Kamera, einfach so. Aus Spaß. Aus Liebe. Aus Trotz gegen die Peinlichkeit.
Und nein – ich werde kein TikTok-Star. Aber ich habe meinem Sohn gezeigt: Ich bin da. Ich probier’s. Ich bin bereit, mich zum Horst zu machen, wenn es bedeutet, ein Stück näher bei dir zu sein.
Fazit: Peinlich? Ja. Aber absolut wertvoll.
Ein TikTok-Tanz macht dich nicht jünger. Er macht dich auch nicht cooler. Aber vielleicht macht er dich für dein Kind ein bisschen greifbarer. Und wenn das bedeutet, dass ich dafür tanzen muss wie ein betrunkener Flamingo – dann tu ich das. Immer wieder.
Denn am Ende zählt nicht, wie gut du tanzt. Sondern, dass du es überhaupt tust. Und dass du es mit Herz machst.
Und mal ehrlich: Wer hätte gedacht, dass ein Papa im Wohnzimmer so viel bewegen kann – mit zwei linken Füßen und einem Lächeln?