Es begann wie so oft mit einem harmlosen Satz. „Papa, wir basteln heute was mit Glitzer, okay?“ Ich – naiv, müde und in einem Anflug pädagogischer Motivation – sagte: „Klar, warum nicht?“
Was ich nicht wusste: Ich hatte gerade den Grundstein für eine mehrjährige Spurensicherung gelegt. Vielleicht sogar für ein lebenslanges Mitbringsel.
Denn Glitzer, das weiß ich heute, ist nicht einfach nur Bastelmaterial. Glitzer ist ein Naturphänomen. Ein Mysterium. Eine Lebenseinstellung. Und vor allem: unzerstörbar. Sobald er einmal im Haus ist, scheint er sich zu vermehren wie ein schlecht gelaunter Tribble aus Star Trek.
Kapitel 1: Der Anfang vom Funkel
Es war so ein typischer Sonntagvormittag: Regen, zwei unterbeschäftigte Kinder, ein Tisch voller Bastelkram – und in der Mitte zwei Tuben Glitzerkleber. Ich hätte es ahnen müssen. Aber ich war zu langsam.
Zuerst glitzerte nur das Papier. Dann die Hände. Dann die Ärmel. Irgendwann der Hund. Und als schließlich mein Sohn mit dem Kommentar „Guck mal, wie’s besser geht!“ den Deckel abschraubte und das Zeug großzügig über dem Basteltisch verteilte, war der Moment gekommen: Glitzer überall. Auf dem Tisch. Im Stuhlpolster. In der Luft. Sogar auf dem Fernseher, obwohl der in einem anderen Zimmer stand.
Ich sprang auf. Lappen. Küchenrolle. Der gute Staubsauger. Alles half nichts. Es wurde nicht weniger – es wurde mehr. Es schien, als habe ich den Glitzer nur eingeladen, sich zu verbreiten. Wie eine freundliche Hausstaubmilbe mit Showtalent. Nur glänzender. Und perfider.
Kapitel 2: Das glitzernde Rätsel
Am nächsten Morgen sah ich es an meinem Hemdsärmel. Ein einzelnes Glitzerkorn, golden, widerspenstig. Ich wischte es weg – und fand zwei weitere. An meiner Hosentasche. Am Autolenkrad. Im Brotdosenverschluss. In meiner Zahnbürste. Im Müsli. Überall.
Ich wurde misstrauisch. Beobachtete mein Umfeld. Das Kinderzimmer glitzerte noch immer an den Rändern. Aber auch das Bad. Die Küche. Sogar das Klo. Ich fragte mich ernsthaft, ob es so etwas wie glitzerresistente Flächen gibt. Spoiler: Gibt es nicht.
Ich begann eine Art forensische Glitzerstudie. Wann tritt er auf? Wo? In welcher Farbe? Ich fotografierte. Ich schrieb auf. Ich stellte Theorien auf. Und langsam wurde mir klar: Glitzer folgt keinen Regeln. Glitzer lebt. Vielleicht hat er sogar einen eigenen TikTok-Kanal.
Ich dokumentierte meine Beobachtungen. Notierte Fundorte, Uhrzeiten, mögliche Kontaktpersonen. Es war, als hätte ich ein eigenes CSI-Team – nur ohne Team, dafür mit zwei Kindern, die sich über jeden neuen Fund kaputtlachten. Und eine Frau, die nur milde den Kopf schüttelte, während sie mir liebevoll einen weiteren Glitzerstern von der Stirn pflückte.
Kapitel 3: Papa auf Spurensuche
Ich verwandelte mich in einen Ermittler. Jeder neue Fund ein Beweisstück. Jeder Winkel des Hauses eine potenzielle Fundstelle. Ich zog Handschuhe an, wenn ich aufräumte. Ich wechselte die Klamotten öfter als nötig. Trotzdem: Glitzer war mir immer einen Schritt voraus. Es war, als ob er meine Bewegungen ahnte und sich strategisch neu positionierte.
Meine Frau grinste. Die Kinder fanden es herrlich. Nur ich war auf diesem Kreuzzug, getrieben vom Traum eines glitzerfreien Badezimmers. Vergebens.
Irgendwann installierte ich eine kleine UV-Lampe. Ich wollte’s genau wissen. Und da war er: der wahre Albtraum eines jeden glitzergestressten Papas. Der Teppich – ein Festival. Das Sofa – eine leuchtende Bühne. Selbst mein Kopfkissen – glitzerte im Schwarzlicht wie ein Einhorn nach dem Karneval. Ich schwöre, ich habe das Glitzern lachen sehen.
Ich startete sogar ein kleines Experiment: Ich markierte eine Ecke im Kinderzimmer als „Glitzerfreie Zone“. Ich wischte, saugte, versiegelte. Zwei Tage später: drei Glitzerpunkte mitten auf der Fensterbank. Der Feind war eingedrungen. Und zwar mit einem Lächeln.
Ich kontaktierte einen anderen Papa aus der Kita, der ähnliche Symptome zeigte. Wir tauschten Strategien aus. Er schlug Folienanzüge vor. Ich überlegte kurz. Verwarf es. Noch.
Kapitel 4: Der Alltag mit dem Glitzer-Virus
Natürlich versuchte ich, im Alltag so zu tun, als sei alles normal. Ich ging ins Büro. Schrieb Mails. Hielt Präsentationen. Und wunderte mich nicht mehr, wenn Kollegen fragten: „Sag mal, hast du da… Glitzer im Bart?“
Ich versuchte mich rauszureden: „Kindergeburtstag. Basteln. Weißt schon.“ Aber innerlich dachte ich nur: Mist, wieder erwischt.
Ich stand an der Supermarktkasse und bemerkte einen Glitzerpunkt auf meiner Stirn. Ich wischte ihn weg. Drei weitere waren plötzlich da. Ich seufzte. Glitzer ist wie ein schlechter Witz – er wiederholt sich ständig, und man wird ihn nie ganz los.
Manchmal erwischte ich mich dabei, wie ich fremden Menschen ins Gesicht starrte: Glitzert das bei denen auch? Oder bin nur ich betroffen? Ist das eine geheime Elterngesellschaft mit unausgesprochenem Glitzercode?
Abends fand ich ihn dann wieder: auf dem Schlafanzug. Auf der Zahnpastatube. Sogar auf dem Deckel der Fernbedienung. Und nein, wir haben kein Glitzer-Abo. Wir haben Kinder. Und einen Bastelschrank.
Kapitel 5: Erkenntnis auf goldener Grundlage
Eines Nachmittags, mitten im Putzen, hielt ich inne. Ich betrachtete einen Glitzerfleck auf meinem T-Shirt. Und dann kam dieser eine Gedanke:
Vielleicht ist Glitzer gar kein Ärgernis. Vielleicht ist es ein Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass ich mittendrin bin. Im Familienleben. Im Chaos. In der Nähe.
Denn Glitzer kommt nicht einfach so. Glitzer kommt von kleinen Händen. Von Bastelprojekten, bei denen nichts gelingt – außer Lachen. Von Momenten, in denen Kinder loslassen, ausprobieren, entdecken. Es ist wie Konfetti fürs Herz.
Ich atmete durch. Ließ das Mikrofasertuch sinken. Und lächelte.
Kapitel 6: Papa lernt loszulassen
Ab da veränderte sich etwas. Ich hörte nicht auf, den Boden zu wischen. Aber ich hörte auf, mich zu ärgern. Ich nahm den Glitzer nicht mehr als Störung wahr, sondern als Erinnerung.
Wenn ich ihn auf der Couch fand, dachte ich: Hier haben wir vorgelesen, da war sie verkleidet als Fee.
Wenn ich ihn in der Brotdose sah: Das war der Morgen, als er mich mit glitzernden Cornflakes überraschen wollte.
Wenn ich ihn auf meinem Kragen entdeckte: Wieder eine Umarmung mit Transferwirkung.
Ich verstand: Glitzer ist der sichtbare Abdruck von Familienleben. Und wer glitzert, hat mitgemacht. Und das ist verdammt gut so.
Und je mehr ich das akzeptierte, desto mehr entdeckte ich auch, wie viel Glitzer in Gesprächen stecken kann. Wenn mein Kind von der Bastelaktion erzählt. Wenn es sagt: „Papa, ich hab dir extra was gemalt. Mit Glitzer!“
Das ist nicht nur Klebstoff mit Farbe. Das ist Stolz. Das ist Liebe in Tubenform. Das ist der Ausdruck eines Moments, in dem mein Kind dachte: Papa wird sich freuen.
Kapitel 7: Der Sinn hinter dem Schein
Heute bin ich glitzerresistent. Nicht im wörtlichen Sinn – er ist natürlich noch überall. Aber innerlich.
Ich weiß, dass das Glitzern irgendwann aufhört. Wenn die Kinder größer sind. Wenn Bastelabende durch Handys ersetzt werden. Wenn Umarmungen seltener und Basteltuben rarer werden.
Dann, vielleicht, wird es plötzlich still und klar – ohne Goldstaub auf dem Klo. Und ich werde ihn vermissen, diesen nervigen kleinen Partikel, der mir gezeigt hat, dass hier jemand lebt, liebt, lacht.
Glitzer ist keine Substanz. Glitzer ist Erinnerung. Bewegung. Leben. Glitzer ist ein Familienabdruck, sichtbarer als jedes Foto.
Ich hoffe, dass ich dann, wenn der Glitzer seltener wird, immer noch dieses Funkeln sehe. Nicht auf dem Sofa. Sondern in den Augen meiner Kinder.
Fazit: Warum ich heute gern glitzere
Ich habe viele Dinge gelernt, seit ich Vater bin. Wie man mit drei Stunden Schlaf einen Tag übersteht. Wie man Windeln im Dunkeln wechselt. Wie man ein Einhornkostüm in der Waschmaschine rettet.
Aber das größte Learning war: Wer glitzert, hat vielleicht keinen sauberen Pullover – aber ein verdammt volles Herz.
Und deshalb sage ich heute nicht mehr genervt: Schon wieder Glitzer!
Sondern leise und mit einem Lächeln: Danke, dass ich dabei sein darf.