Es gibt diese Momente im Papa-Leben, da denkst du, du hast alles im Griff. Du hast die Windel gewechselt, das Fläschchen auf exakt 37 Grad gebracht, der Schnuller liegt bereit – und das Baby schläft (fast). Du fühlst dich wie ein Held, der mit einer Mischung aus Improvisation und Bauchgefühl durchs Elternchaos manövriert. Und dann kommt ein Thermometer. Ein banales, digitales Messgerät. Und zeigt dir, dass du eigentlich gar nichts weißt.
Der erste Verdacht: Fieber?
Es war Samstagabend. Meine Frau war bei einer Freundin, ich hatte das Baby – Papa-Abend. Nur wir zwei. Wir hatten gemeinsam gegluckst, uns durchs Babybuch geblättert, den Sound einer elektrischen Giraffe bestaunt und waren kurz vorm Einschlafen. Doch dann fiel mir auf: Das Baby fühlt sich irgendwie warm an. Wärmer als sonst.
Ich dachte: „Wird wohl vom Kuscheln sein.“ Aber dann kam der gute alte Stirnkuss – die Geheimwaffe jeder Elternstirn. Und diese Stirn war eindeutig: heiß. Kein bisschen wohlige Babywärme – eher kleine Heizung mit rotem Alarm.
Panikstufe 1 aktiviert.
Der Griff zur Wundertüte namens Medikamentenschublade
Ich stürmte zur Medikamentenschublade. Du weißt schon, diese eine Schublade, in der alles liegt, was du in den ersten sechs Monaten irgendwann brauchen könntest – von der Popocreme über Nasensauger bis zu Globuli, von denen du nicht mal weißt, was sie bewirken sollen. Und da lag es. Das digitale Thermometer mit biegsamer Spitze. Noch jungfräulich, quasi eingeschweißt in meinen Papa-Verstand.
Ich hatte es noch nie benutzt. Immer war meine Frau für das Fiebermessen zuständig. Sie hatte so eine ruhige Art dabei. Während ich daneben stand und fragte, ob ich die Windel halten soll. Aber heute war mein Moment. Heute war ich nicht nur zuständig – ich war die erste Verteidigungslinie.
Also: Thermometer raus, Knopf gedrückt, das erwartete Piepen ertönt – ich war bereit. Bereit, Vater und medizinischer Beistand zugleich zu sein.
Und dann… der Fehler
Ich legte das Baby auf den Wickeltisch. Vorsichtig. Konzentriert. Ich hob die Beinchen an, setzte an – und wunderte mich, warum nichts passierte. Kein weiteres Piepen, kein Fortschritt, keine Anzeige. Nur mein Baby, das mich irritiert ansah, als würde es fragen: „Was genau machst du da eigentlich, Papa?“
Ich wartete, probierte es nochmal. 34,2 Grad. Ich dachte: Das kann nicht sein. Noch ein Versuch. 33,9 Grad. Ich fühlte die Stirn erneut – immer noch heiß. Meine Verunsicherung? Maximal.
Und dann dämmerte es mir. Ich sah auf das Thermometer. Die Spitze zeigte nach außen. Das Display lag… an der Babyseite. Ich hatte das Ding falschrum eingeführt. Komplett. Wie ein verpeilter Neuling im Labor eines Sci-Fi-Films.
Der Moment des Papa-Zusammenbruchs
Ich weiß, das klingt lustig. Und heute kann ich drüber lachen. Aber in dem Moment fühlte es sich an wie die ultimative Niederlage. Ich war hilflos. Mein Baby quengelte, die Temperatur war unklar, das Gerät verstand mich nicht – und ich verstand es noch viel weniger.
Also tat ich, was jeder unsichere Vater tun würde: Ich googelte. „Thermometer falsch herum benutzt – schlimm?“
Und siehe da: Ich war nicht allein. Die Foren waren voller Väter (und Mütter), die ähnliche Erlebnisse hatten. Einer schrieb: „Mein Mann hat’s auch gemacht, aber das Baby lebt noch.“ Ein anderer: „Denk dran, die Spitze ist nicht fürs Baby gedacht, sondern zum Messen.“ Beruhigend? Jein. Aber immerhin.
Der Anruf bei meiner Frau
Zähneknirschend griff ich zum Handy. „Hey Schatz… alles gut hier, nur… kleines Update. Ich glaub, ich hab das Thermometer falschrum benutzt.“
Stille. Dann ein kurzes Lachen. Dann: „War ja klar.“
Sie führte mich durch die korrekte Anwendung. Ich hörte zu, nickte, machte mentale Notizen: Display nach außen. Spitze zum Baby. Piepton abwarten. Sanft entfernen. Easy, oder?
Der zweite Versuch – diesmal mit Verstand
Diesmal machte ich alles richtig. Ich setzte an. Das Thermometer war korrekt ausgerichtet. Das Piepen kam schnell. 38,1 Grad. Fieber. Aber im Rahmen. Ich atmete durch. Und handelte. Paracetamol-Zäpfchen griffbereit, Rücksprache mit meiner Frau, Baby beruhigt.
Ich zog ihm seinen Pyjama an, nahm es mit aufs Sofa. Dort schlief es ein. Und ich saß da. Erschöpft. Mit einem winzigen Sieg in der Tasche.
Die Thermometer-Story lebt weiter
Seit diesem Tag bin ich der Mann fürs Thermometer. Und jedes Mal, wenn ich es benutze, habe ich dieses Bild vor Augen: das Display, das Baby, meine ratlose Miene.
Ich habe die Geschichte Freunden erzählt, Papas auf dem Spielplatz, Kollegen beim Kaffee. Und fast jeder hat eine Anekdote. Einer hat mal beim Ohrthermometer in die falsche Richtung geschaut („Ich dachte, das Ohr sei hinten“). Ein anderer hat es mit einem Esslöffel verwechselt.
Wir alle machen Fehler. Besonders am Anfang. Und gerade, wenn wir allein sind. Wenn niemand hilft, keiner eingreift. Und genau dann wachsen wir.
Was ich daraus gelernt habe
- Auch einfache Geräte haben ihre Tücken.
- Nicht jedes Piepen bedeutet, dass du alles richtig gemacht hast.
- Es ist okay, unsicher zu sein – solange du offen bist, zu lernen.
- Dein Baby braucht keine Perfektion, sondern deine Präsenz.
- Humor rettet. Immer. Selbst bei Fieber.
- Kommunikation mit der Partnerin ist Gold wert.
- Papa-Fails sind Lernkurven in Verkleidung.
Bonus: Meine kleine Thermometer-Checkliste für Anfänger
- Spitze immer zum Baby, nicht zum Papa.
- Warte auf das zweite Piepen – sonst misst du nur deine Hoffnung.
- Nimm dir Zeit – ein nervöses Baby merkt deinen Stress.
- Lies die Anleitung. Ja, wirklich.
- Und wenn’s schiefgeht: Lachen. Dann lernen. Dann besser machen.
Ein ganz normaler Papa-Abend mit großem Lerneffekt
Rückblickend war dieser Abend einer der ersten Meilensteine in meinem Papa-Sein. Nicht, weil ich heldenhaft Fieber gemessen habe, sondern weil ich gelernt habe, Fehler anzunehmen. Weil ich mir eingestanden habe, dass ich nicht alles weiß. Und weil ich gelernt habe, dass jedes kleine Missgeschick eine Geschichte ist, die man später gerne erzählt.
Heute ist das Thermometer immer griffbereit. Und ich bin vorbereitet. Auch auf alles andere. Denn das Leben mit Kind ist wie das Fiebermessen: Manchmal schwitzt man, manchmal lacht man – aber immer wächst man.