Papa sein. Das klingt nach Abenteuer, Verantwortung, Liebe – und ganz ehrlich: auch manchmal nach richtig viel Stress. Meistens kriegen wir das hin. Wir funktionieren, organisieren, lieben, lachen. Aber es gibt Tage, da fühlt es sich einfach zu viel an. Und über genau so einen Tag will ich heute schreiben. Einen Tag, an dem ich mich als Papa überfordert gefühlt habe. Und das war – rückblickend – völlig okay.
Dieser Text ist kein Ratgeber. Kein „So meisterst du jede Krise“-Beitrag. Sondern ein ehrlicher Blick in mein Papa-Herz. Ein Moment, der wehgetan hat – und der mir gleichzeitig gezeigt hat, dass echte Stärke manchmal darin liegt, Schwäche zuzulassen.
Der Tag, an dem alles kippte
Es war ein Dienstag. Ganz unscheinbar, keine Katastrophe in Sicht. Ich hatte schlecht geschlafen, unser Baby war nachts drei Mal wach, morgens hatte ich verschlafen, beim Frühstück gab es Streit zwischen den Kids und ich hatte zwei berufliche Termine im Kalender, die meine volle Aufmerksamkeit brauchten. Eigentlich nichts Außergewöhnliches – und genau das war das Problem.
Es war dieser Alltagsberg, der sich still und heimlich aufgetürmt hatte. Und plötzlich stand ich da: ein schreiendes Kleinkind auf dem Arm, ein Schulkind, das seine Hausaufgaben nicht machen will, das Handy am Ohr mit dem Chef, und der Kaffee kalt. Und ich konnte nicht mehr. Ich wusste nicht, ob ich zuerst weinen, schreien oder einfach gehen sollte. Ich fühlte mich wie der schlechteste Vater der Welt.
Ich hatte keine Geduld mehr. Ich fühlte mich leer, aufgebraucht und wie eine tickende Zeitbombe. Der Moment, in dem meine Tochter ein Glas umwarf und weinte, weil sie nicht mehr wusste, wo ihr Mathebuch war, war der Moment, in dem ich innerlich zusammenbrach. Ich konnte einfach nicht mehr stark sein.
Das schlechte Gewissen macht’s nicht besser
Was mich in diesem Moment fast noch mehr überrollt hat als der Stress, war das schlechte Gewissen. Ich dachte: „Andere Väter schaffen das doch auch.“ „Reiß dich zusammen.“ „Du musst funktionieren.“
Aber ich funktionierte nicht. Ich war überfordert. Körperlich. Emotional. Mental. Und ich fühlte mich dabei schuldig. Als würde ich versagen. Als wäre ich nicht gut genug für meine Kinder.
Ich habe mich ins Bad zurückgezogen, die Tür abgeschlossen, mich auf den Klodeckel gesetzt und einfach nur tief geatmet. Und dann liefen die Tränen. Ganz leise. Und irgendwie tat das gut. Es war der Moment, in dem ich mir selbst erlaubt habe: Ja, du darfst überfordert sein. Du bist kein Superheld. Du bist ein Mensch.
Ich hab mir fünf Minuten genommen. Einfach sitzen, tief durchatmen, das Chaos draußen für einen Moment aussperren. Ich habe mich gefragt: Was erwarte ich eigentlich von mir? Wer schreibt mir vor, dass ich alles immer mit einem Lächeln meistern muss?
Was danach passierte
Nach einigen Minuten bin ich wieder raus. Hab mich auf den Boden im Kinderzimmer gesetzt. Mein Sohn kam, legte den Kopf auf meinen Schoß und sagte: „Papa, bist du traurig?“ Und ich sagte: „Ein bisschen, ja. Weil es heute einfach zu viel ist.“
Und dann passierte etwas Unglaubliches. Er umarmte mich. Ganz fest. Einfach so. Und ich begriff: Ich muss nicht perfekt sein. Ich darf ehrlich sein. Ich darf meine Gefühle zeigen. Denn genau das macht mich zu einem Vater, dem man vertraut.
Wir saßen einfach da. Ohne To-do-Liste, ohne Plan. Nur wir. Und dieser Moment hat uns verbunden. Mehr als jeder organisierte Ausflug oder jedes geplante Spiel.
Warum wir mehr Ehrlichkeit brauchen
In unserer Gesellschaft reden wir viel über Vereinbarkeit, über Gleichberechtigung, über moderne Vaterschaft. Aber viel zu selten sagen wir: Es ist okay, wenn du nicht weiterweißt. Es ist okay, wenn du überfordert bist. Es ist okay, Hilfe zu brauchen.
Ich wünschte, mehr Papas würden sich trauen, das zu sagen. Ohne Scham. Ohne sich schwach zu fühlen. Denn genau das Gegenteil ist der Fall: Es braucht Mut, sich ehrlich zu zeigen. Und es braucht Mut, auch mal Stopp zu sagen.
Wir brauchen mehr Räume, in denen Väter offen über Emotionen sprechen können. Über Erschöpfung. Über Ängste. Über Selbstzweifel. Und wir brauchen ein Umfeld, das nicht sofort bewertet, sondern einfach sagt: „Ich verstehe dich.“
Was mir geholfen hat
Nach diesem Tag habe ich angefangen, bewusster mit meinen Grenzen umzugehen. Ich habe mit meiner Frau gesprochen. Habe klar gesagt: Ich brauche Pausen. Zeit für mich. Und Unterstützung.
Ich habe angefangen, weniger perfekt sein zu wollen. Habe akzeptiert, dass manche Tage chaotisch sind. Dass ich nicht immer alles im Griff habe. Und dass es vollkommen in Ordnung ist, einfach mal nichts zu schaffen.
Ich habe gelernt, Hilfe anzunehmen. Von Freunden, von Familie, von Kollegen. Und ich habe angefangen, mit anderen Vätern offen zu sprechen. Und siehe da: Ich war nicht allein. Ganz im Gegenteil.
Ich habe mir bewusst „Auszeiten“ genommen – kleine Fluchten, um aufzutanken. Ein Spaziergang, zehn Minuten Musik hören, ein Gespräch mit einem Freund. Und ich habe mich nicht mehr dafür geschämt, das zu brauchen.
Kleine Schritte, große Wirkung
Ich habe angefangen, meine Erwartungen runterzuschrauben. Nicht jedes Mittagessen muss selbstgekocht, nicht jede Bastelidee pinterestwürdig sein. Und vor allem: Nicht jeder Tag muss gelingen.
Ich habe mit meiner Partnerin eine neue Aufteilung besprochen. Dinge abgegeben. Nicht, weil ich zu faul war – sondern weil ich gemerkt habe: Es geht nicht um Heldentum. Es geht um Miteinander.
Ich habe auch gelernt, meinen Kindern zu sagen, wenn ich mal eine Pause brauche. Und sie haben das verstanden. Mehr, als ich dachte. Es war befreiend, nicht mehr immer stark tun zu müssen.
Fazit: Überfordert sein ist kein Versagen
Wenn du das hier liest und dich wiedererkennst: Du bist nicht allein. Du bist nicht schwach. Du bist einfach ein Mensch, der liebt, der gibt, der manchmal an seine Grenzen kommt.
Papa sein ist kein Wettbewerb. Kein Status. Es ist Beziehung. Verbindung. Echtsein. Und manchmal heißt das auch: am Ende zu sein.
Und weißt du was? Genau da liegt die Chance. Denn aus diesem Tief kann etwas wachsen: Verständnis. Nähe. Veränderung.
Unsere Kinder müssen nicht den perfekten Papa sehen. Sie brauchen einen echten. Einen, der spürt, was sie brauchen. Einen, der ihnen zeigt, dass Gefühle in Ordnung sind. Dass auch Große mal schwach sein dürfen – und dass das nichts Schlechtes ist.
Also ja: Ich hab mich als Papa überfordert gefühlt. Und es war okay. Mehr als das: Es war wichtig. Für mich. Für meine Kinder. Und für das, was ich ihnen mitgeben will.