Manchmal frage ich mich ernsthaft, wo genau eigentlich dieser berühmte „Feierabend“ anfängt. Oder besser: ob er bei uns Papas im Homeoffice mit Kindern überhaupt existiert. Denn mein Tagesablauf sieht oft aus wie eine nie endende Excel-Tabelle – nur dass die Zellen statt Formeln Spielzeug, To-dos und Zahnbürsten enthalten. Willkommen in meinem Alltag zwischen Arbeitsblättern und Bettkanten. Zwischen Videocalls, Windelwechsel und der Frage, ob man sich im Schlafanzug ernsthaft professionell fühlen kann.
Guten Morgen, Realität – mit Müsliflecken auf der Tastatur
Der Tag startet früh. Meistens früher als mir lieb ist. Noch vor dem ersten Kaffee plärrt aus dem Kinderzimmer das erste „Paaaapaaa!“, begleitet von einem aufgeregten Hinweis, dass das Kuscheltier jetzt leider Hunger hat. Und ich? Ich bin dann schon mittendrin: im Spagat zwischen Papa-Sein und Projektmanager.
Noch bevor mein Rechner hochfährt, hab ich schon Brei verteilt, Socken gesucht und mindestens einen Streit geschlichtet. Mein Büro? Das ist der Esstisch. Mein Dresscode? Jogginghose unten, Hemd oben – für alle Fälle, falls der erste Call des Tages mit Kamera ist.
Manchmal sitze ich schon um halb acht am Laptop, während neben mir ein Kind versucht, seine Bauklötze nach Farben zu sortieren und mich fragt, warum ich denn „immer nur auf Tasten haue“. Und ganz ehrlich? Die Frage ist berechtigt. Denn so richtig erklären, was ich da eigentlich mache, kann ich es meinem Kind oft nicht.
Manchmal habe ich das Gefühl, in zwei Welten gleichzeitig zu leben. In der einen bin ich der strukturierte Projektmanager, der Zahlen jongliert und Deadlines einhält. In der anderen bin ich der Frühstücks-Koch, Kuscheltier-Doktor und Streitschlichter. Und beide Welten fordern mich. Jeden Tag aufs Neue.
Blockzeiten und Bauklötze – Multitasking auf dem nächsten Level
Meine To-do-Liste hat mehr Punkte als der Familienkalender Termine. Vormittags versuche ich, konzentriert in Tabellen zu schauen, während im Hintergrund ein Lego-Tornado tobt. Ich habe gelernt, mit halbem Ohr im Call und mit dem anderen bei der Feuerwehrstation aus Holz zu sein. Ich beantworte Mails mit links und balanciere mit rechts eine Mandarine, damit sie nicht vom Tisch kullert. Einmal habe ich aus Versehen ein „Paw Patrol“-Zitat in eine Präsentation geschrieben. Ist keinem aufgefallen. Oder sie haben sich nicht getraut, was zu sagen.
Das klappt nicht immer. Natürlich nicht. Aber ich hab gelernt, mir kleine Zeitinseln zu schaffen. Wenn der Mittagsschlaf ansteht – und das Kind wirklich schläft – nutze ich jede Minute. Mein Fokus ist dann auf Knopfdruck da. Muss er auch, denn viel Spielraum gibt’s nicht. Ich weiß, dass ich exakt 47 Minuten habe, bis das kleine „Papa?“ aus dem Nebenzimmer kommt. Also arbeite ich in Sprints, nicht in Marathonetappen.
Und dazwischen? Da versuche ich, mir kleine Atempausen zu gönnen. Eine Tasse Kaffee auf dem Balkon. Einmal tief durchatmen, auch wenn daneben das Babyphone fiept. Ich hab mir einen Timer gestellt, der mich regelmäßig erinnert: kurz aufstehen, bewegen, ein Glas Wasser trinken. Klingt banal, aber ist überlebenswichtig.
Die große Kunst: Umdenken statt Untergehen
Früher dachte ich, Struktur sei der Schlüssel. Heute weiß ich: Flexibilität ist Gold. Ich habe aufgehört, gegen das Chaos zu kämpfen. Stattdessen versuche ich, es in meine Planung einzubauen. Ich rechne bewusst mit Unterbrechungen. Plane Puffer ein. Und – ganz wichtig – ich kommuniziere das auch. Mit Kunden, Kollegen und meiner Partnerin.
Das hat gedauert. Aber heute weiß ich: Ich muss mich nicht verstecken, weil mein Kind im Hintergrund fragt, ob wir jetzt endlich „Schleichtiere baden“ können. Es macht mich nicht weniger kompetent – im Gegenteil. Es zeigt, dass ich Verantwortung trage. Auf allen Ebenen.
Ich habe auch gelernt, Nein zu sagen. Zu Meetings, die in die Familienzeit fallen. Zu Aufgaben, die eigentlich in die Freizeit gehören. Und vor allem zu meinem eigenen Perfektionismus. Der muss nicht immer dabei sein. „Gut genug“ ist manchmal eben das neue „perfekt“.
Und ich hab gelernt, Hilfe anzunehmen. Freunde, Großeltern, Nachbarn – jeder, der mal eine Stunde übernimmt, ist Gold wert. Früher dachte ich, ich muss alles alleine schaffen. Heute weiß ich: Gemeinsam geht’s besser. Nicht nur wegen der Entlastung, sondern auch, weil mein Kind so lernt, dass viele Menschen für es da sind.
Papa-Meetings und das Einschlafritual
Wenn der Nachmittag in den Abend übergeht, wird es oft nochmal turbulent. Abendessen, Zähneputzen, Geschichten erzählen. Mein Lieblingspart – und gleichzeitig der Teil, bei dem ich selbst regelmäßig fast einschlafe. Während ich mit einer Hand die kleine Stirn streichle, tippt die andere manchmal noch Mails ins Handy.
Und ja, das ist anstrengend. Aber es ist auch ehrlich. Ich bin da. Immer irgendwie dazwischen, aber nie ganz weg. Mein Kind weiß, dass ich arbeite. Aber es weiß auch: Abends bin ich da. Mal mit mehr Energie, mal mit tiefen Augenringen. Aber mit Herz.
Es gibt Abende, da lege ich das Handy bewusst beiseite. Da höre ich die Lieblingsgeschichte zum zwanzigsten Mal, als wäre es das erste Mal. Da höre ich Fragen wie: „Papa, warum ist der Mond immer noch wach?“ Und ich merke, dass diese Fragen viel wichtiger sind als jede Deadline.
Denn das, was bleibt, sind nicht die geschlossenen Tickets in der Projektsoftware – sondern die leuchtenden Augen nach dem Vorlesen. Der Moment, in dem die kleinen Finger meine Hand suchen. Und das Wissen: Ich hab heute mein Bestes gegeben – für meinen Job, aber vor allem für mein Kind.
Mein Spagat hat keine perfekte Haltung – aber Haltung
Ich habe aufgehört, nach dem Ideal zu streben. Kein Tagesplan ist perfekt, keine Work-Life-Balance ein Gleichgewicht. Aber mein Alltag ist voll Leben. Voll Lachen, Lautstärke und Liebe – und ab und zu auch Excel.
Ich habe gelernt, dass es okay ist, wenn mein Tag nicht durchgetaktet ist. Dass es okay ist, wenn ich in einem Meeting sitze und gleichzeitig daran denke, ob ich den Lieblingsteddy aus der Waschmaschine geholt habe. Dass mein Kind keine perfekte Version von mir braucht, sondern eine präsente.
Und weißt du was? Genau das versuche ich zu sein. Nicht der Papa, der alles richtig macht. Sondern der, der da ist. Der zuhört. Der morgens die Cornflakes kleckerfrei überlebt – und abends noch Kraft hat, ein Kitzelmonster zu sein.
Es geht nicht um Heldenstatus. Es geht darum, ehrlich zu sein. Auch mal zu sagen: „Ich bin müde.“ Oder: „Heute war’s zu viel.“ Und genau das, glaube ich, macht den Unterschied. Es zeigt meinem Kind: Papa ist ein Mensch. Einer, der sich bemüht. Und das zählt.
Fazit: Mein Alltag ist kein Spagat – er ist ein Tanz
Ein Tanz, der manchmal chaotisch ist. Der mich stolpern lässt. Aber auch ein Tanz, der mich lehrt, im Moment zu sein. Ich jongliere nicht nur Aufgaben – ich jongliere Leben. Und das ist verdammt wertvoll.
Es gibt Tage, da klappt nichts. Und dann gibt’s Abende, an denen ich mein Kind anschaue, während es einschläft – und mir denke: Genau das ist es. Dafür mach ich das alles. Nicht für die Zahlen in der Tabelle. Sondern für das Gefühl, da zu sein.
Und manchmal, ganz manchmal, wenn alles ruhig ist, die Excel-Dateien geschlossen sind und mein Kind leise atmet, dann lächle ich. Weil ich weiß: Ich hab heute nicht alles geschafft – aber das Wichtigste schon. Und das ist genug.