Neulich saß ich am Schreibtisch, tief versunken in irgendwas, das wichtig klang – Budgetplanung, Projektbericht, du kennst das. Da kam mein Kind mit großen Augen rein, schaute mich an und fragte ganz unschuldig: „Papa, was arbeitest du eigentlich?“ Und plötzlich war mein Kopf leer. Kein PowerPoint-Diagramm dieser Welt konnte mir helfen. Keine E-Mail-Vorlage passte. Ich starrte in diese ehrlichen Kinderaugen und merkte: Ich hab keine gute Antwort. Jedenfalls keine, die mein Kind versteht – oder ich selbst.
Wie erklärst du einem Kind das Arbeitsleben in Zoom-Zeiten?
Ich hätte sagen können: „Ich bin Projektleiter, mein Schatz.“ Oder: „Ich schreibe Berichte und mache Planung.“ Aber das wäre ungefähr so hilfreich gewesen wie „Ich bin galaktischer Datenbändiger im Kosmos der Business-Units.“ Also versuchte ich es einfach:
„Ich schreibe Sachen. Und telefoniere mit Menschen, die auch Sachen schreiben.“
Mein Kind guckt mich an wie bei einem schlechten Witz ohne Pointe. „Aber warum sitzt du dann immer so ernst da?“
Touché.
Dann fange ich an zu überlegen: Was sieht mein Kind eigentlich, wenn es mich arbeiten sieht? Ein Mann, der auf einen Bildschirm starrt. Der Dinge murmelt. Der zwischendurch seufzt. Und manchmal ganz plötzlich aufspringt, weil ein Call startet, den er fast verpasst hätte. Kein Wunder, dass das wie ein Mysterium wirkt.
Also begann ich, kleine Vergleiche zu machen. Ich erklärte, dass ich quasi wie bei einem Puzzle bin: Ich suche Teile, die zusammenpassen. Nur dass meine Teile meistens Wörter, Zahlen und ziemlich viele E-Mails sind. Und ja, manchmal bin ich auch wie ein Schiedsrichter – ich achte darauf, dass alle fair spielen. Aber ohne Trillerpfeife.
Zwischen Arbeit und Papa-Zeit – der große Unterschied
Die Wahrheit ist: Unsere Kinder sehen uns nicht mit Visitenkarte, sondern mit Bauklotz in der Hand. Sie messen unseren Job nicht an Excel-Tabellen, sondern daran, wie oft wir bei „Papa, guck mal!“ auch wirklich gucken. Für sie ist Arbeit das, was uns davon abhält, mit ihnen den nächsten Dino aus Knete zu bauen.
Und ja, manchmal schäme ich mich fast ein bisschen, wenn ich wieder mal „Nur fünf Minuten“ sage – und eine halbe Stunde später das enttäuschte Gesicht sehe. Denn in diesen Momenten spüre ich, wie abstrakt und ungreifbar mein „Arbeiten“ für mein Kind ist. Keine greifbaren Ergebnisse, keine fertige Burg. Nur tippen, nicken, murmeln, wieder tippen.
Und doch weiß ich: Arbeit ist mehr als nur To-dos. Es ist Verantwortung, Zielstrebigkeit, manchmal auch der Kampf mit der eigenen Geduld. Und genau das versuche ich meinem Kind mitzugeben – dass Arbeit nicht immer sichtbar sein muss, um wichtig zu sein.
Ich habe irgendwann angefangen, mein Kind bewusst einzubeziehen. Wenn ich weiß, dass ich etwas erklären muss, male ich kleine Bilder oder nutze Beispiele aus seiner Welt. „Weißt du, Papa plant heute, wie alle ihre Arbeit gut zusammen machen können – so wie beim Fußball, wenn man vorher abspricht, wer wo steht.“
Papa erklärt sich – mit Humor und Herz
Also hab ich es versucht, wirklich versucht: „Weißt du, ich helfe anderen Leuten, ihre Arbeit gut zu machen. Ich lese, schreibe, telefoniere. So wie eine Mischung aus Lehrer, Detektiv und Erfinder.“
„Cool“, sagt mein Kind. „Dann bist du also sowas wie ein Superheld?“
Ganz ehrlich? Vielleicht. Nicht im Cape, aber mit Kaffeetasse und Deadline im Nacken. Und ja, mit Ohr für Fragen wie: „Warum haben Zebras Streifen?“ – mitten im Video-Call.
Ich habe gelernt, diese Momente anzunehmen. Statt genervt zu reagieren, versuche ich, kurz zu erklären, was ich gerade mache. Und wenn’s nicht klappt, dann eben später. Aber ich merke: Mein Kind will mich nicht stören – es will mich verstehen.
Also bauen wir zusammen eine Brücke zwischen seinem Kinderuniversum und meiner Welt aus Mails und Meetings. Manchmal male ich ihm sogar auf, was ich tue: kleine Figuren mit Sprechblasen, Laptops mit lachenden Gesichtern. Es hilft. Uns beiden.
Und manchmal kommen wir dabei ins Gespräch über das Große und Ganze: Warum man überhaupt arbeitet. Was Geld bedeutet. Und warum es wichtig ist, sich Mühe zu geben, auch wenn niemand sofort klatscht. Gespräche, die ich nie vergessen will.
Was ich durch diese Frage gelernt habe
Diese eine Frage – „Was arbeitest du eigentlich?“ – hat mich mehr zum Nachdenken gebracht als so mancher Coaching-Podcast. Sie hat mich gezwungen, mein tägliches Tun in Worte zu fassen, die nicht nur verständlich, sondern auch ehrlich sind.
Ich will, dass mein Kind sieht: Arbeit ist nicht nur ein Müssen, sondern manchmal auch ein Dürfen. Ich darf Dinge gestalten. Ich darf mitdenken, mitwirken, mitverantworten. Und ja, manchmal ist es auch einfach nur ein Job. Aber ein Job, der Teil unseres Lebens ist – nicht dessen Feind.
Ich habe mir fest vorgenommen, meinem Kind zu zeigen, dass Arbeit nicht gleichbedeutend ist mit Abwesenheit. Dass sie Teil eines Ganzen ist, in dem es genauso wichtig ist, da zu sein, wie etwas zu schaffen.
Ich habe außerdem gelernt, dass unsere Kinder eine viel klarere Vorstellung von „wichtig“ haben, als wir glauben. Wichtig ist nicht der Kunden-Call, sondern ob wir ihnen beim Abendessen zuhören. Wichtig ist nicht das fertige PDF, sondern ob wir beim Zubettgehen noch Zeit für eine Geschichte haben. Diese Prioritätenverschiebung tut weh – aber sie tut auch gut.
Mein Fazit: Arbeit ist das, was wir draus machen
Ich glaube, unsere Kinder verstehen mehr, als wir denken. Nicht, was ein Projektbericht ist – aber was Stress ist, was Konzentration ist, was es heißt, sich Mühe zu geben. Und vor allem: was es heißt, trotzdem da zu sein.
Wenn mein Kind fragt, was ich arbeite, dann will es eigentlich nur wissen: Wofür sitzt du da? Und wann bist du wieder bei mir?
Meine Antwort ist heute: Ich arbeite, damit wir zusammen lachen können, kuscheln, Quatsch machen. Damit unser Leben läuft. Aber ich bin nie zu beschäftigt, dir zuzuhören. Auch wenn ich gerade so tue, als wär ich wichtig.
Und wenn mein Kind das irgendwann so sieht, dann hab ich wohl doch ganz gut gearbeitet. Nicht nur im Job – sondern als Papa.