Es ist 6:23 Uhr. Der Wecker hat zwar auf 6:30 gestellt, aber mein Sohn hat beschlossen, dass heute früher Tag ist. Warum? Weil der Bagger auf dem Baustellenpuzzle umgekippt ist. Ich bin also wach – körperlich. Der Geist zieht nach. Kaffee Nummer eins wird aufgesetzt, während ich mit einer Hand ein Puzzle rette und mit der anderen versuche, nicht über den Plastikdino zu stolpern, der sich über Nacht im Flur ausgebreitet hat. Willkommen in meinem Arbeitsalltag als Papa.
Der Morgenmarathon – mit Sportschuhen aus Pappe
Zwischen Brotdose schmieren, Trinkflasche suchen („Nicht die mit den Raketen, die mit dem Dinooo!“), Zahnpasta-Gesicht abwischen und dabei versuchen, mich selbst irgendwie businesstauglich zu machen, vergeht die Zeit im Zeitraffer. Irgendwann – meist auf die Minute genau – stehen wir an der Kita-Tür, ich mit leicht verknittertem Hemd und er mit einem Lächeln im Gesicht. Wenn das geschafft ist, fühlt sich das an wie der erste Sieg des Tages.
Aber: Die Arbeit wartet nicht. Und sie wartet schon gar nicht geduldig. Noch auf dem Rückweg von der Kita checke ich schon die ersten Mails, schicke eine Nachricht an mein Team, dass ich in zehn Minuten im Call bin, und versuche gleichzeitig, den Einkaufszettel für den Nachmittag im Kopf zu behalten. Multitasking-Level: Papa-Standard.
Von der Kita zur Konferenz – ohne Umweg durchs Büro
Homeoffice klingt in der Theorie wie der Himmel auf Erden. In der Praxis ist es eine Mischung aus Jonglieren, Improvisieren und Multitasking mit erhöhter Ausfallwahrscheinlichkeit. Sobald ich zurück bin, springt der Rechner an, Zoom-Link öffnen, Kamera an – nur kurz vorher noch den Legoturm aus dem Hintergrund räumen. Ich weiß inzwischen genau, wie viele Sekunden ich brauche, um mir ein Hemd über den Schlafanzug zu werfen, ohne dass es auffällt.
Die Meetings laufen, der Kopf ist im Modus. Bis… eine E-Mail kommt mit dem Betreff: „Notbetreuung – Kita heute früher zu“. Innerlich atme ich durch den Mund. Okay. Plan B. Oder C. Oder was auch immer gerade dran ist. In solchen Momenten wird aus Tagesplanung ein Strategiespiel auf Expertenniveau – mit Lego und Google-Kalender als Tools.
Flexibilität heißt nicht, dass alles easy ist
Ich liebe meinen Job. Ehrlich. Und ich liebe es, Papa zu sein. Aber beides gleichzeitig? Ist oft wie ein Jonglierakt mit brennenden Kettensägen. Wenn das Kind krank ist und du trotzdem einen Pitch vorbereiten musst. Wenn du nach einer durchwachten Nacht Präsentationen fertigstellst, während neben dir das Kuscheltier mit dir spricht. Wenn du versuchst, im Business-Call konzentriert zu bleiben, obwohl du im Augenwinkel beobachtest, wie jemand auf dem Sofa versucht, eine Banane mit einem Bagger zu essen.
Ich hab gelernt, Prioritäten neu zu setzen. Und zwar täglich. Manchmal stundenweise. Was gestern noch wichtig war, ist heute egal, weil das Kind plötzlich Fieber hat. Und was sich gestern nach Stress angefühlt hat, ist heute ein Geschenk, weil ich um 15 Uhr die erste Rolle beim Rollenspiel mitspielen darf. Die Frage ist nicht mehr: „Wie bekomme ich alles unter einen Hut?“, sondern: „Welcher Hut passt heute zuerst?“
Und manchmal muss ich eben auch Aufgaben abgeben, Deadlines verschieben oder einfach sagen: „Das geht heute nicht.“ Das war nicht leicht zu lernen, aber es war überlebenswichtig. Und es zeigt sich: Die Welt geht nicht unter, nur weil ich mal nicht erreichbar bin.
Mein Tag in kleinen Inseln
Ich arbeite oft in Etappen. Früher dachte ich: Ich brauch acht Stunden am Stück, um produktiv zu sein. Heute weiß ich: Ich brauch zwei konzentrierte Stunden – und einen klaren Kopf. Und manchmal ist der klarer, wenn ich vorher mit Kreide ein Dinosaurier-Labyrinth auf die Terrasse gemalt hab.
Zwischen Calls, Konzepten und Kindergeburtstagsvorbereitungen entstehen bei mir kleine Inseln der Effizienz. Ich schaffe mehr in kürzerer Zeit, weil ich gelernt habe, das Drumherum zu akzeptieren. Das Chaos gehört dazu. Und ja, ich plane mittlerweile auch Pausen für spontane Umarmungen ein. Weil die oft mehr bringen als jedes Business-Coaching.
Ich nutze Tools wie Zeitfenster-Planung, aber ich plane auch bewusst Puffer ein – für ungeplante Kakaos, plötzlich aufkommende Tränen oder eine fünfminütige Tanzparty im Wohnzimmer. Diese Inseln helfen mir, durchzuatmen, mich zu sortieren und dann wieder fokussiert weiterzumachen.
Was andere denken – und was wirklich zählt
„Wie schaffst du das alles?“ fragen mich manchmal Leute. Die ehrliche Antwort: Ich schaff’s nicht immer. Manchmal lass ich Dinge liegen. Manchmal esse ich mein Mittagessen um 16:45 Uhr im Stehen. Manchmal geh ich genervt ans Telefon, obwohl ich’s besser weiß. Aber weißt du was? Mein Sohn erinnert mich jeden Tag daran, warum ich das mache. Und wie viel Liebe in einem selbstgemalten Bild mit dem Satz „Du bist mein Superpapa“ steckt.
Ich glaub, wir müssen aufhören zu denken, dass wir entweder perfekte Väter oder perfekte Arbeitnehmer sein müssen. Wir dürfen auch beides mit Ecken und Kanten sein. Mit Kaffeeflecken auf dem Hemd und Spielzeug in der Laptoptasche. Hauptsache echt. Denn die Ehrlichkeit, mit der uns unsere Kinder begegnen, ist oft das größte Vorbild für unsere eigene Haltung zur Arbeit.
Und ehrlich gesagt: Manchmal ist es das gemeinsame Kneten nach einem stressigen Tag, das mir zeigt, dass ich mehr geschafft hab, als mir bewusst war. Vielleicht nicht alles, aber das Wichtigste.
Mein Fazit zwischen zwei Terminen
Es gibt keine perfekte Balance. Es gibt nur unsere eigene. Und die verändert sich ständig. Aber genau das macht’s auch lebendig. Ich hab gelernt, mich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Zu improvisieren. Und manchmal einfach zu sagen: Jetzt ist Papa-Zeit. Der Rest wartet.
Und wenn ich abends im Bett liege, das Laptop wieder verstaut ist und mein Sohn schläft, dann denk ich mir oft: Heute war’s wild. Und wunderschön. Und morgen wird’s wahrscheinlich wieder ganz anders. Aber das ist okay. Denn ich bin mittendrin – zwischen Kita und Konferenz. Und das ist mein ganz persönlicher Alltag. Vielleicht nicht immer strukturiert. Aber voller Leben.