Du sitzt beim Chef, leicht nervös, Kaffee in der Hand. Thema des Gesprächs: Du willst Elternzeit nehmen. Als Papa. Zwei Monate? Sechs? Vielleicht sogar mehr? Noch vor wenigen Jahren hätte das bei vielen Arbeitgebern für hochgezogene Augenbrauen gesorgt. Heute? Ist die Reaktion immer noch ein Überraschungsei – du weißt nie genau, was dich erwartet.
Ich hab mit anderen Vätern gesprochen, eigene Erfahrungen gesammelt und mal ganz ehrlich hingeschaut: Wie stehen Chefs wirklich dazu, wenn Väter sagen „Ich bin dann mal mit Baby zu Hause“?
Der erste Moment: Zwischen Mut und Mimik
Der Schritt zur Elternzeit beginnt oft mit einem inneren Kampf. Nicht jeder von uns ist der Typ, der locker-flockig ins Büro marschiert und sagt: „Ich bin bald mal raus, ich werde Windeln wechseln und Babygeschrei managen.“
Viele Papas schildern denselben Ablauf: Man informiert sich monatelang heimlich über Elterngeld, legt Pläne mit der Partnerin fest – und steht dann doch schweißnass vorm Chef. Warum? Weil die Reaktion alles bedeuten kann: Verständnis, Gleichgültigkeit oder ein nicht ganz so heimliches Kopfschütteln.
Reaktionen aus dem echten Leben
Lass uns ehrlich sein: Es gibt sie, die großartigen Arbeitgeber. Die, die sofort sagen: „Super, dass du das machst. Natürlich unterstützen wir dich.“ Das sind die Momente, in denen du innerlich jubelst und denkst: Genau deshalb arbeite ich hier.
Aber es gibt auch andere.
Ein Freund von mir – nennen wir ihn Tom – bekam auf seine Ankündigung folgendes zu hören: „Ach, du meinst das ernst?“ Ein Kollege erzählte von einem Chef, der ihm einen Witz über „Muttersöhnchen“ drückte. Und ein Dritter? Der wurde gefragt, ob das „nicht schlecht für seine Karriere“ sei.
Die Wahrheit ist: Die Einstellung gegenüber Papas in Elternzeit ist immer noch ein ziemlicher Flickenteppich. Je nach Branche, Chef oder Unternehmensgröße reicht das Spektrum von voller Unterstützung bis hin zu passiv-aggressivem Schweigen.
Die klassischen Mythen (und was wirklich dran ist)
„Elternzeit ist Karrierekiller“
Das ist der Satz, den viele im Kopf haben – auch wenn ihn keiner laut sagt. Die Sorge: Wenn du aussteigst, verpasst du Chancen. Andere überholen dich. Du bist raus aus dem Game.
Die Realität? In vielen modernen Unternehmen ist das längst überholt. Wer Elternzeit nimmt, zeigt Verantwortungsbewusstsein, Empathie, Planung – alles Eigenschaften, die auch im Job zählen. Und ganz ehrlich: Wenn ein Unternehmen dich deswegen abstraft, ist das vielleicht nicht der Ort, an dem du alt werden willst.
„Väter nehmen ja eh nur zwei Monate“
Stimmt leider oft. Viele Papas nehmen nur die berühmten „Partnermonate“, meistens rund um Geburt und Eingewöhnung. Und ja, manchmal geht einfach nicht mehr – finanziell oder wegen des Jobs. Aber: Es werden mehr, die sich trauen. Drei, vier, sechs oder sogar zwölf Monate. Und mit jeder ehrlichen Anfrage verschiebt sich das Bild ein bisschen.
„Die Kollegen müssen den Ausfall auffangen – das gibt Ärger“
Natürlich bleibt die Arbeit nicht liegen. Und ja, das kann Reibung geben. Aber: Das ist auch bei Mutterschutz und langen Urlaubszeiten so. Die Lösung liegt in guter Planung und offener Kommunikation. Wer früh ankündigt und Übergaben sauber regelt, zeigt Professionalität – und wird oft respektiert, nicht verurteilt.
Die rechtliche Seite – deine Ansprüche
Elternzeit ist kein Goodwill – sie ist gesetzlich geregelt. Du hast das Recht auf bis zu drei Jahre Elternzeit pro Kind, bis zum dritten Geburtstag, teilweise auch darüber hinaus. Der Antrag muss mindestens sieben Wochen vor Beginn gestellt werden – schriftlich.
Und ganz wichtig: Dein Arbeitsplatz ist während der Elternzeit sicher. Du darfst deswegen nicht gekündigt werden. Auch nicht still und leise aussortiert. Wenn du das Gefühl hast, dein Arbeitgeber macht Druck: Hol dir Hilfe – zum Beispiel bei der Gewerkschaft, dem Betriebsrat oder einer Familienberatungsstelle.
Was Arbeitgeber wirklich sagen – und was sie meinen
Manche Aussagen klingen erstmal nett – aber zwischen den Zeilen schwingt was anderes mit. Hier ein kleiner Übersetzer:
- „Klar, das geht in Ordnung.“ → Klingt gut. Wenn dazu ein ehrliches Lächeln kommt, Jackpot. Wenn der Blick dabei auf dem Monitor bleibt: bleib wachsam.
- „Und wie lange genau?“ → Zwischen echtem Interesse und der Sorge ums Projektplanungs-Excel liegt nur ein schmaler Grat.
- „Das machen ja jetzt viele.“ → Heißt oft: Ich find’s nicht super, aber ich sag lieber nix.
- „Willst du wirklich so lange raus?“ → Aha. Das ist der Klassiker. Und deine Chance, selbstbewusst zu sagen: Ja. Ich will das. Für meine Familie – und für mich.
Wie du’s gut angehst – aus Papa-Sicht
1. Früh planen, offen sprechen
Je eher du weißt, was du willst, desto besser kannst du’s kommunizieren. Mach dir Gedanken über den Zeitraum, mögliche Teilzeit-Modelle, Übergaben. Bereite dich wie auf ein Projektgespräch vor – aber mit mehr Herz.
2. Selbstbewusst bleiben
Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Elternzeit ist kein Gefallen, den dir jemand tut. Du hast ein Recht darauf – und gute Gründe. Wenn du hinter deiner Entscheidung stehst, wird das auch so ankommen.
3. Verbindlich und professionell auftreten
Klingt spießig, hilft aber: Halte Absprachen schriftlich fest, mache konkrete Vorschläge zur Vertretung, zeig dich organisiert. Damit nimmst du dem Thema seine Schärfe.
4. Kollegen einbinden
Gerade im Team ist offene Kommunikation Gold wert. Erzähl, was du planst, und warum. Nicht jeder muss es gut finden – aber Verständnis wächst mit Einblick.
5. Bleib in Kontakt (wenn du willst)
Viele Väter berichten, dass sie während der Elternzeit bewusst Kontakt zum Job gehalten haben – mal ein kurzer Besuch, ein Anruf, eine Teamrunde per Video. Nicht, weil sie mussten. Sondern weil sie es wollten. Und weil es den Wiedereinstieg erleichtert.
Was Arbeitgeber gewinnen, wenn Papas Elternzeit nehmen
So, jetzt drehen wir den Spieß mal um: Warum ist es auch für Unternehmen gut, wenn Väter Elternzeit nehmen?
- Image & Arbeitgebermarke: Moderne, familienfreundliche Unternehmen wirken attraktiver – für Bewerber und bestehende Mitarbeitende.
- Gleichstellung fördern: Wenn mehr Väter Elternzeit nehmen, entsteht mehr Balance – auch für Mütter. Das entlastet alle.
- Führungskräfte wachsen: Wer zuhause Windelkrisen managt, bringt neue Perspektiven ins Büro. Kommunikation, Organisation, Empathie – alles Soft Skills, die jeder Chef brauchen kann.
- Wiedereinstieg mit frischer Sicht: Viele Väter berichten, dass sie nach der Elternzeit strukturierter, entspannter und motivierter zurückkamen. Frisch sortiert – innerlich und äußerlich.
Und was, wenn der Chef wirklich blockt?
Dann brauchst du einen Plan B. Denn ja, leider gibt es sie noch – die Chefs, die Druck machen, Angst schüren oder dich ganz subtil ins Aus stellen wollen.
Mein Rat:
- Hol dir Beratung – rechtlich und emotional.
- Dokumentiere Gespräche und Absprachen.
- Lass dich nicht einschüchtern – du tust nichts Falsches.
- Sprich mit anderen Vätern – Austausch hilft.
Und vielleicht ist es auch ein Moment, an dem du dich fragst: Passt dieser Arbeitgeber noch zu meinem Leben mit Kind?
Fazit: Mut lohnt sich
Elternzeit als Papa zu nehmen ist nicht immer einfach. Aber es ist eine starke Entscheidung – für dich, deine Familie, dein Kind. Und es verändert mehr, als du denkst: in dir, in deinem Umfeld, im Unternehmen.
Die Reaktion deines Chefs? Ist ein Teil davon – aber nicht das Wichtigste. Du zeigst Haltung. Du setzt ein Zeichen. Und du wirst zurückblicken und sagen: Genau richtig so.